Die BURG, die Hochschule für Grafik und Buchkunst sowie das Queer Institute for Queer Theory veranstalten vom 15.–17. Juni 2023 die 12. Jahrestagung der Fachgesellschaft Gender Studies. Bis zum 15. Dezember 2022 können für die Tagung noch Vorschläge für Einzelbeiträge, Workshops, Panels und experimentelle Formate als Abstracts eingereicht werden.

Die 12. Jahrestagung der Fachgesellschaft Gender Studies findet vom 15.–17. Juni 2023 statt und wird von der BURG und der Hochschule für Grafik und Buchkunst sowie vom Queer Institute for Queer Theory organisiert. Geplant wird die Tagung von Yeşim Duman, Antke Antek Engel, Susanne Huber, Katrin Köppert, Isabel Lewis, Friederike Nastold, Lars Paschke.
Bis zum 15. Dezember 2022 können für die Tagung noch Vorschläge für Einzelbeiträge, Workshops, Panels und experimentelle Formate als Abstracts eingereicht werden.

Über das Leithema der Tagung

Keine Lebewesen ohne Zellmembranen. Die Membran stellt eine Gemeinsamkeit zwischen Einzellern, Pflanzen sowie menschlichen und nichtmenschlichen Tieren dar. Hilft uns das Konzept der Membran daher, anthropozentrisches Denken zu überwinden? Und wenn ja, wie trägt es dazu bei, Hierarchien und Machtungleichgewichte unter Menschen zu problematisieren sowie die dekoloniale Kritik am Diskurs des Posthumanen in den Gender Studies und Feminist Science and Technology Studies zu forcieren? Kann ein queer-theoretisches Verständnis des Begehrens bzw. eine Schwarze feministische Auffassung von Erotik dazu beitragen, neue, unerwartete Verbindungen zwischen diesen Beziehungen und Umwelten zu knüpfen?
Hat die Membran also das Potenzial, in wissenschaftlichen und künstlerischen Untersuchungen als Konzept-Metapher oder Modell zu fungieren? Diese Frage nimmt die Tagung "membra(I)nes" zum Ausgangspunkt, um intersektionale und transdisziplinäre Zugänge zu eröffnen und diesen in experimenteller Weise nachzugehen.

Gleichzeitig schreiben wir membra(I)nes und lenken damit die Aufmerksamkeit auf das Gehirn und Denkvermögen. Mit diesem Verweis werfen wir die Frage auf, wie Prozesse der Subjektkonstituierung oder der Herausbildung eines Ichs im Kontext der Auflösung starrer Grenzziehungen zwischen Mensch, Pflanze und Tier untersucht und verhandelt werden können. Ließe sich das Gehirn in einem solchen Kontext nicht selbst als Membran figurieren und mithin das Denken als Fähigkeit der Abtrennung und Schwingung, der Umhüllung und Durchlässigkeit? Rücken damit nicht auch sensorische und affektive, technologische und medienkulturelle, performative und künstlerische Dimensionen in den Fokus, die durch Beziehungen und Umwelten geformt sind?

Interesse der Tagung

Die Tagung ist ebenso interessiert an biologischen und physikalischen Aspekten der Membran wie an der Membran als Konzept-Metapher für soziale, kulturelle und politische Prozesse: Unterschiedliche Austauschprozesse und Grenzen, Berührungen und Bewegungen – durch Hindernisse hindurch – lassen sich über Speziesgrenzen hinweg im Hinblick auf diese verschiedenen Dimensionen befragen. Was erzählt uns die Membran als eine selektierende Barriere, aber auch in der sensorisch-akustischen Dimension vibrierender Haut darüber, wie wir die Welt, wie wir Geschlecht, Sexualität und Körper, Begehren und Intimität wahrnehmen? Wie wird (Geschlechter-)Wissen – membranvermittelt – gewonnen und produziert? Inwiefern beeinflusst ein Denken mit der Membran bzw. ein Denken als Membran die Art und Weise, wie soziale Welten und politische Prozesse verstanden und organisiert werden?

Neben den Biomembranen gibt es zahlreiche künstliche Membranen, die zum Teil dem Alltagsleben entstammen, zum Teil hochtechnologische Formen annehmen, die industriell zum Einsatz kommen oder auch Synthesen mit Lebewesen eingehen. In einfacher Form, nämlich als schwingende Hautmembran, spielen diese in Musik- und Klanginstrumenten eine jahrtausendealte Rolle. Kleidung und Mode fungieren als Membran zwischen Körpern, schützen, kommunizieren und verhandeln gesellschaftliche Werte. Künstlerische Praxen bedienen sich der Membran als Material sowie Werkzeug und eröffnen Wissensproduktionen auch jenseits des Verbalen. Mit Blick auf die Materialhaftigkeit von Membranen sind wir mit Fragen der Nachhaltigkeit konfrontiert, nicht nur in der künstlerischen Praxis, sondern im Alltag im Umgang mit Kleidung, Verpackungen und allen anderen Hüllen (Autos, Flugzeugkabinen), deren Porosität im Sinne ihrer Ausdünstungen oder mikroplastischen Verunreinigungen konstituierend für den Klimawandel ist. Auch hier stellt sich die Frage, inwiefern sich die Metapher der Membran für Umkodierungen eignet: Denn mit jeder Durchlässigkeit gerät auch etwas in Schwingung, was Resonanzen erzeugt, deren Potenzialitäten es herauszufinden gilt.

Call for Contributions

Die Bildhaftigkeit der Membran allein, aber auch der spielerisch-ästhetische Versuch des Jahrestagungsthemas membra(I)nes sollen als eine Einladung verstanden werden, Einreichungen gleichermaßen experimentell anzugehen. Wissenschaftliche, künstlerische, kulturelle und aktivistische Herangehensweisen sollen auf der Tagung in gleichberechtigter Weise zusammenkommen. Sowohl organisatorisch als auch durch den Call for Contributions suchen wir nach Formen und Beiträgen, die diese Begegnung unterstützen. Wissenschaftliche Einreichungen können daher auch auditiv oder performativ sein, künstlerische wiederum forschungsorientiert. Es ist möglich, Panels als Sit-Ins zu gestalten, oder Dialoge als TanzDuell, Einzelvorträge können Drag-Performances sein und Podien eine Inszenierung. Künstlerische Arbeiten dürfen eine Lecture sein, Fotografien eine wissenschaftliche Bildstrecke usw.

Wir sind auf Eure/Ihre Ideen neugierig und freuen uns über das Interesse an der ersten Jahrestagung in der Geschichte der Fachgesellschaft, die an zwei Standorten und darüber hinaus an Kunsthochschulen sowie im ehemaligen Osten stattfinden wird und sich daher gewissermaßen selbst an Grenzen abarbeitet, zwischen Städten, politischen Systemen und akademischen Räumen.

Wir suchen Beiträge, die in die Richtung der nachfolgenden Themenfelder gehen und darüber hinaus denken:

  • Membran als Grenzregime: Ausschluss, Selektion, Begegnung, Austausch
  • Rethinking Race: Haut als Transferzone der Rassisierung und ihrer Verschiebung
  • Körper-/Geschlechtergeschichten der Membran: Hymen, Vorhäute, Zellen usw.
  • teildurchlässige Politiken der Evidenz (in der Kritik: Blutsgemeinschaften, Nachweispflicht im Kontext sexueller Gewalt, Juridifizierung von Trans- und Intergeschlechtlichkeit)
  • vergeschlechtlichte, sexualisierte, rassifizierte und eugenische Biologien des Gehirns - affektives, sensorisches Wissen Künstlicher Intelligenz / Queer-feministische Kritik und Potenziale Künstlicher Intelligenz als sensing/affective media - künstlerische Verfahren und Materialien, in denen die Qualitäten des Membranischen aufgerufen sind
  • künstlerische Praxen, die mit Resilienzen, Infiltrierungen oder Filtern arbeiten - Begehren als Prozess, der auf Durchlässigkeit zwischen Physiologischem, Symbolischem, Sozialen und Phantasie beruht
  • Vergeschlechtlichungen von Infrastruktur / queer-feministische Re-Kodierungen der Infrastruktur von Arbeit, Institutionen, Digitalität, Verkehr
  • Membran als Zwischenräumlichkeit & Zwischenzeitlichkeit / Re-Konfiguierungen von queer time, safe space usw.
  • Membran als Raum des Dazwischen: What's queer after non-binary?

Vorschläge für Einzelbeiträge, Workshops, (AG-)Panels (mit Titeln der Einzelvorträge) und experimentelle Formate können als Abstracts von max. 300 Wörtern (bei Bildmaterial max. 5 Seiten als komprimiertes PDF) bis zum 15.12.2022 an die folgende E-Mail-Adresse eingereicht werden: ed.reeuq-redneg(ta)seniarbmem