SustainLab

platform for critical matter

Das SustainLab ist eine explorative Forschungsplattform im Kontext Nachhaltigkeit, die Kunst und Design mit  wissenschaftlichen Methoden und Fragestellungen verbindet. Nachhaltige Zukünfte werden entworfen, um gleichzeitig neue praktische Ansätze und Diskurse zu provozieren.

 

Eine Kernaufgabe des Labors ist es, das Wachstum und die Ernte von Wissen zu ermöglichen. Wir nutzen künstlerische und gestalterische Praxis als Katalysator für interdisziplinäre Forschung und Wissenschaft als inspirierendes Werkzeug zur Auseinandersetzung mit Material und Technologie im ökologischen Kontext.

Bekannten Gedanken- und Handlungsmustern begegnen wir mit kritischer Reflexion und neuen konzeptuellen Linsen. Wir unterstützen studentische Arbeiten, kooperieren mit externen Partner*innen, entwerfen Kommunikationsräume.

Innerhalb ausgewählter Jahresthemen verfolgen wir eigene Forschungsprojekte. In einer anschließenden Ausstellung werfen wir einen detaillierten Blick auf vielfältige Aspekte  und treten in den öffentlichen Diskurs.

SOLUM – generous sediments and rare loads

Während mit immer größerem Aufwand nach geogenen Materialien gegraben wird, steigen die kritischen Stoffgehalte in der Erde. Unter dem Arbeitstitel „SOLUM – generous sediments and rare loads“ stellen wir uns der Frage, auf welchem Boden wir stehen. „Solum“ bezeichnet aus geologischer Sicht den Bodenkörper. Wir verstehen ihn als Material und gleichzeitig als komplexes System. Er ist Lebensraum, Rohstoffquelle, Rückführungsort, Produzent und Produkt, Fundament und Archiv.

Wie viel Boden verbrauchen wir Tag für Tag? Und in welcher Form? Welchen Veränderungen unterliegen geogene Stoffströme durch anthropogenen Einfluss? Wie sehen Alternativen und Wege zu einem nachhaltigen Umgang mit Sedimenten aus? Und wie können Kunst und Design dabei die Lücke zwischen den abstrakten akademischen Visionen und den realen Bedingungen des Alltags schließen?

Teilprojekt prog/rammed earth

2021–2022, zusammen mit dem XLab

Stampflehm, Terre Pisé, Rammed Earth: Krümelige, erdfeuchte und relativ magere Lehmmasse wird in eine Schalung lagenweise eingeschüttet, durch stampfen verdichtet und an der Luft ausgehärtet. Diese Form des Lehmbaus hat eine jahrtausendealte Tradition – nicht zuletzt in Sachsen-Anhalt. Während die Verdichtung im natürlichen Kontext den Verlust von essentiellen Bodenfunktionen bedeutet, werden in der Architektur die Potentiale komprimierter Erde ausgespielt: Porosität und Durchlässigkeit schaffen ein atmendes Material, die Nutzung lokaler Ressourcen steht im Sinne der Wertschöpfung und Lehm ermöglicht eine unbegrenzte Rezyklierbarkeit ohne Verlust von Materialeigenschaften. 

Bei all den schlagenden Argumenten und 130,3 Millionen Tonnen (Umweltbundesamt, 2021) Bodenaushub pro Jahr: Kann Stampflehm nicht auch abseits von Mauern und Fußböden gedacht werden? Der Auftakt der Untersuchung des SustainLab fragt nach der Zukunftsfähigkeit eines traditionellen Verfahren im Umgang mit lokalen Sedimenten. Eine erste Experimentierreihe erprobt Material, improvisiert Werkzeuge und spekuliert über Anwendungen. 

2K: An der Schnittstelle von SustainLab und XLab trifft die traditionelle Verarbeitung von lokalen Sedimenten auf die Programmierung von Material und Werkzeug: prog/rammed earth. Das gezielte Arbeiten mit zwei Komponenten denkt Stampflehm dabei als additives Fertigungsverfahren. Erdfeuchter Lehm wird verdichtet, die zweite Materialkomponente dient als Stützmaterial und rieselt, fließt, dampft, bricht nach dem Stampfen aus der Grundform. Das selektive Binden ermöglicht Freiformen, Überhänge und Hinterschnitte. Und gleichzeitig transformiert robotische Präzession die material- und zeitintensive Vorbereitung.

Welche konstruktiven Konzepte, nachhaltige(re)n Anwendungen und rahmenden Systeme können dieses Verfahren in einen zukunftsfähigen Kontext setzen?

Teilprojekt (un)certain flows

Modelling material strategies in the post-coal era

2021–2022

Mit dem Kohleausstieg bis 2038 werden in Deutschland rund 60 Prozent der zur Verfügung stehenden Gipsrohstoffe wegfallen. Bis dahin wurde über die sogenannte Rauchgasentschwefelung der Großteil der deutschen Gipsnachfrage über diese nicht-regenerative Rohstoffverarbeitung bereitgestellt. Damit stellt sich bereits jetzt die Frage nach möglichen Szenarien der alternativen Gewinnung, Zusammensetzung, Verarbeitung und des Recyclings dieses Materials. Im Projekt wird im wechselseitigen Austausch zwischen Materialflussanalysen, probabilistischen grafischen Systemmodellen (Bayes-Netze) und dem Mapping möglicher Design-Interventionen die Interaktion von Gipsprodukten mit deren zukünftigen natürlichen und sozio-technischen Umgebungen untersucht. Dabei werden verschiedene Szenarien sowie unterschiedliche Substitutionsstrategien des Materialsystems Gips im Jahr 2050 simuliert und visualisiert.

Konkrete Fragen können in diesem Zusammenhang lauten: Welche industriellen Symbiosen sind in der Lage, die zukünftige Kreislaufführung des Materials zu ermöglichen? Wie könnten durch neue Verarbeitungsprozesse von gipshaltigen Sekundärrohstoffen die Materialeigenschaften positiv verändert, der Materialbedarf verringert und die Recyclingfähigkeit erhöht werden? Und was bedeutet das für die Menschen, die mit diesen Stoffen hantieren?

Die Forschungsarbeit bewegt sich zwischen den Disziplinen Geoökologie, Ingenieurwissenschaften und Design und wird in Kooperation mit verschiedenen Praxis- und Forschungspartnern durchgeführt (u. a. MUEG GmbH, Gipswerk Uehrde GmbH Co. KG, Thüringer Innovationszentrum für Wertstoffe).

Das SustainLab befindet sich in der Materialsammlung der BURG und damit in einer Umgebung, die passender nicht sein könnte. Inmitten dieser Sammlung zum Anfassen wird Material ganzheitlich betrachtet: von seinem Ursprung und seinen Eigenschaften, über den Nutzungskontext bis hin zum Gebrauchsende und den Folgen für die Umwelt.

Die Mitarbeiter*innen des SustainLab kombinieren ihre Erfahrungen und die unterschiedlichen Herangehensweisen aus den Umweltwissenschaften und dem Design miteinander und unterstützen fließende Übergänge in die freie Kunst.

Hierfür steht ein metaphorischer Werkzeugkasten zur Verfügung: Dazu entwickelte das SustainLab die Methodik Terra Ocular, um verschiedene nachhaltigkeitsbezogene Blickwinkel mit Hilfe von konkreten Fragebausteinen zu betrachten und neue Strategien der künstlerisch-gestalterischen Forschung und Praxis auszuloten.

Das SustainLab nutzt verschiedene Ansätze und Werkzeuge aus den unterschiedlichsten Disziplinen. So verbinden sie zum Beispiel Methoden aus den Umweltwissenschaften wie Life-Cycle-Assessment, Material-Flow-Analysis, Freilandexperimente und Feldforschung mit verschiedenen Tools der Designforschung und nachhaltigen Gestaltung sowie mit prozessorientierten Ansätzen der künstlerischen Forschung. Zur Arbeit im Lab gehört es außerdem, eigene Werkzeuge zur Untersuchung der verschiedenen Themenfelder zu entwickeln.

Wem steht das SustainLab offen?

Das SustainLab steht den Studierenden und Mitarbeitenden aller Fachbereiche offen. Zu beachten sind die Öffnungszeiten bzw. Sprechzeiten und vorherige Anmeldung bei den Mitarbeiter*innen des Labs.

Welche Zugangsvoraussetzungen gibt es für das SustainLab?

Um im SustainLab arbeiten zu können, absolvieren Studierende zunächst eine Belehrung. Sie erfolgt zu Beginn des ersten Semesters und wird jährlich aufgefrischt. Hierbei erhalten die Studierenden alle relevanten Informationen zur Zielstellung des Labs, zu grundlegenden Methoden und Arbeitsweisen.

Wie bereite ich mich auf das SustainLab vor?

Studierende melden sich vorab bei den Mitarbeiter*innen des SustainLab per E-Mail mit einer kurzen Beschreibung ihres Anliegens an. Im Rahmen der Sprechstunde beraten die Mitarbeiter*innen bezüglich der Fragen, Inhalte und Projekte und planen gemeinsam mit Studierenden die weitere Arbeit mit dem Lab.

Wo finde ich grundlegende Informationen zum Forschungsfeld Nachhaltigkeit?

Zur Einführung in die Arbeit im Lab bieten wir immer in der vorlesungsfreien Zeit diese Getting Started Workshops an:

  • Life&Cycle: Grundlagen der Ökobilanzierung, Anwendung in Kunst und Design
  • Speculations&Transformations: Einführung in Spekulatives Design, Sinn und Unsinn kritischer Interventionen und leichtsinniger Utopien im sozio-ökologischen Kontext