Am 27. und 28. Juni 2024 findet an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle ein wissenschaftlicher Workshop zum Thema „Antisemitismus und Kunst vor 1933“ statt.

Prof. Dr. Nike Bätzner, Professorin für Kunstgeschichte an der BURG, und Christina Brinkmann, Doktorandin der Kunstwissenschaften an der BURG, organisieren am Donnerstag, 27. Juni und Freitag, 28. Juni 2024 ein Symposium mit dem Titel „Antisemitismus und Kunst vor 1933“. Die Fragen, inwiefern Kunst antisemitisch ist, welche Rolle Antisemitismus im Kunstfeld spielt und wie dieser einen Ausdruck findet, werden zunehmend für die Gegenwart diskutiert – besonders seit der documenta fifteen und dem zuletzt ansteigenden Antisemitismus aufgrund des Krieges in Israel und Palästina.
Der Workshop versucht den Schritt in die Geschichte und will erörtern, welche Bedeutung und Wirksamkeit Antisemitismus unter Künstler*innen, Kunsttheoretiker*innen und weiteren Akteur*innen vor 1933 hatte, welche Bildprogramme, Netzwerke und politischen Organisationen ihn trugen und propagierten. Gleichzeitig zielt der Workshop auf die Frage, wie antisemitische Einstellungen von Einzelpersonen, die keinen unmittelbaren Niederschlag in Ikonographie oder politischer Organisierung fanden, in der Forschung fassbar werden können.
Diskutiert werden rechte und völkische Zusammenhänge und Akteur*innen, wie Julius Langbehn und seine einflussreiche Schrift „Rembrandt als Erzieher“ (von 1890) sowie Paul Schultze-Naumburg. Auch Protagonist*innen der sogenannten klassischen Moderne wie Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner und Johannes Itten rücken in den Fokus des Symposiums, ebenso wie die Frage des Antisemitismus in Zusammenschlüssen linker Künstler*innen in der Weimarer Republik. Antisemitische Einstellungen, Ausschlüsse und Bildprogramme fanden stets Kritiker*innen und Gegenwehr. Auch historische Positionen, die sich gegen Antisemitismus stellten, sollen im Workshop thematisiert werden. So werden die Künstler Fabian Bechtle und Leon Kahane ihre filmische Auseinandersetzung mit dem Werk des Historikers Fritz Stern vorstellen.

Bis zum 20. Juni 2024 ist eine Anmeldung zum Symposium per Mail an ed.ellah-grub(ta)nnamknirb-anitsirhc möglich.
Der Eröffnungsvortrag von Dr. Arie Hartog und die Filmvorführung mit Fabian Bechtle und Leon Kahane sind öffentlich und ohne Anmeldung zu besuchen.

 

Programm

Donnerstag, 27. Juni 2024

11.30 bis 12 Uhr
Begrüßung und Einführung: Prof. Dr. Nike Bätzner (Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle) und Christina Brinkmann M.A. (Doktorandin an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle)

12 bis 12.45 Uhr
Eröffnungsvortrag: Dr. Arie Hartog (Gerhard-Marcks-Haus, Bremen): „Hoffentlich fällt noch ein Jude vom Himmel“. Gerhard Marcks und die Vorurteile

Als 1988 ein Buch mit einer Auswahl von Briefen des Bildhauers Gerhard Marcks erschien, wurden darin auch einige seiner antisemitischen Kommentare publiziert. Diese und andere Dokumente geben Hinweise auf ein früh gefestigtes und sich dann entwickelndes Bild von Juden*Jüdinnen bei Marcks. Dass der Künstler gleichzeitig jüdische Freund*innen hatte, und sich für sie einsetzte, widerspricht dem keineswegs. Dr. Arie Hartog analysiert Aspekte des Weltbildes des Künstlers und geht der Frage nach, ob und inwieweit diese biografischen Details kunsthistorische Relevanz haben.

14 bis 16 Uhr
Dr. Dorothee Wimmer (TU Berlin): Nationalismus – Antisemitismus – Kulturpropaganda vor 1933: Rembrandts Stilisierung zum „Erzieher des deutschen Volkes“

Dr. Christian Drobe (Berlin): Antisemitismus als Diskursmittel? Hans Thomas Werk und Rezeption im Fokus zeitgenössischer Aufarbeitung

Johanna Söhnigen M.A. (Universität der Künste, Berlin) und Dipl. Ing. Rainer Schmitz M.A. (TU Darmstadt): Kultur- und Rassenetzwerke Paul Schultze-Naumburgs

Moderation: Prof. Dr. Nike Bätzner

16.30 bis 17.50 Uhr
Dr. Ines Kelly (Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, Kaiserslautern): Johannes Itten. Alte Meister am frühen Bauhaus

Dr. Wolfgang Brauneis (Nürnberg): „Im Chaos der Kulturzersetzung“. Über den Künstler, Kolonialisten und Kunstfunktionär Fritz Behn (1878-1970)

19 Uhr
Film „Der Erlösungskomplex“ und Gespräch von Fabian Bechtle und Leon Kahene, Forum für demokratische Kultur und zeitgenössische Kunst

Über die kulturellen Dimensionen des Antisemitismus in der Gegenwartskunst wird noch nicht lange diskutiert. Dabei war Antisemitismus schon immer Teil des Zeitgeistes. Über die Sprache und die Bilder der Kunst wurde Antisemitismus popularisiert. Um diese Kontinuität geht es in dem Film „Der Erlösungskomplex“.
Das Forum demokratische Kultur und zeitgenössische Kunst (Forum DCCA) ist ein Ort für künstlerische Kulturkritik. Es wurde von den Künstlern Fabian Bechtle und Leon Kahane gegründet. In Kooperation mit Kulturinstitutionen produzieren sie künstlerische Beiträge und Begleitprogramme zu aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten mit besonderem Fokus auf die kulturellen Kontinuitäten des Antisemitismus.

Moderation: Christina Brinkmann, M.A.

 

Freitag, 28. Juni 2024

10 bis 12.30 Uhr
Dr. Adina Rösch (Museum Lyonel Feininger, Quedlinburg): Mythos und Wirklichkeit. Emil Noldes „Ungemalte Bilder“

Dr. Christian Saehrendt (Thun): „Mich friert in der Kälte der Menschen und dem Mauscheln der Juden“. Wie lassen sich Ernst Ludwig Kirchners antisemitische Äußerungen einordnen?

Dr. Jürgen Müller (TU Dresden): Die Figur des „Ewigen Juden“ in den Filmen „Der Golem, wie er in die Welt kam“ (1920) und „Nosferatu“ (1922)

Hanna Sauer M.A. (Museum Zentrum für verfolgte Künste, Solingen): Im Antifaschismus geeint gegen den Judenhass? Die Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands (1928-1933), die KPD und ihr Verhältnis zum Antisemitismus

Dr. Olaf Kistenmacher (Hamburg): „Nazis and rich Jews ... as united". Bertolt Brechts Theaterstück Die Rundköpfe und die Spitzköpfe und die parteikommunistische Deutung des Antisemitismus

12.30 bis 13 Uhr
Abschlussdiskussion
Moderation: Mira Anneli Naß, M.A. (Universität Bremen)

 

Symposium: Antisemtismus und Kunst vor 1933
Datum:
27. und 28. Juni 2024
Ort: Schleifweg 6, 06114 Halle, Seminarraum im Erdgeschoss
Anmeldung: bis 20. Juni 2024, per Mail an ed.ellah-grub@nnamknirb-anitsirhc
Organisation: Christina Brinkmann
Förderung: Unterstützt durch das Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt