Die Ausstellung in der Burg Galerie im Volkspark zeigt vom 14. Oktober bis 8. November 2020Positionen junger Künstler*innen, die das Medium Bildhauerei befragen und erweitern.

Die Bildhauerei hat in früheren Zeiten höchsten körperlichen Einsatz erfordert: Behauen, Wegnehmen, Formen und Gießen – das alles sind Prozesse, die eng in Verbindung mit Körper und Material stehen. Wie haben sich diese grundlegenden Parameter für junge Bildhauer*innen in der Gegenwart geändert? Die Burg Galerie im Volksparkt stellt sich mit der Ausstellung twittering machine der Frage, was es heute bedeutet, dreidimensional zu arbeiten und zu denken. In der Präsentation vom 14. Oktober bis 8. November werden bildhauerische Arbeiten von 14 jungen Künstler*innen gezeigt, die durch ihre besondere Qualität und ihren ungewöhnlichen Umgang mit Form, Material und Raum überzeugen und die dazu anregen, die Bildhauerei als Medium in der Gegenwartskunst zu befragen. Welche neuen Verfahren und Materialien sind in der zeitgenössischen bildhauerischen Praxis hinzugekommen, welche wurden abgelöst oder aktualisiert?

Die Ausstellung behandelt den künstlerischen Prozess und gesellschaftliche Fragestellungen gleichermaßen. So zeigt Jana Mertens, die 2016 ihr Studium der Bildhauerei/Figur an der BURG abschloss, eine Auswahl kleiner Betonskulpturen – Mauersegler – aus der Werkserie Animale Brutale. Vorausgegangen ist eine Beschäftigung mit dem Brutalismus als Architekturstil, an dem sie die klare Zurschaustellung der Konstruktion und des Materials Beton schätzt. Die davon inspirierten harten architektonischen Formen gehen mit den organischen Vogelleibern eine seltsame körperliche Symbiose ein – im Prozess mehrfachen Abformens und Gießens werden sie eins. Die Bildhauerin legt die Arbeitsspuren der Verformung, Zerstörung und Neuschöpfung offen und konfrontiert uns mit einer hybriden Formensprache.
Sarel Debrand Passard, der seit 2013 an der Kunstakademie Münster studiert, ist Produzent humorvoller skulpturaler Gesten und Aktionen: Er versteht das Medium der Bildhauerei als experimentellen, performativen Handlungsraum. Dabei entwickelt Debrand-Passard jedoch keine choreografierten Performances, sondern initiiert eher Nacht-und-Nebel-Aktionen, die er filmisch oder fotografisch dokumentiert. Seine körperliche Auseinandersetzung mit Grenzen spielt dabei eine besondere Rolle.
Und auch auf den Ausstellungsort nehmen Künstler*innen Bezug. Zwei nebeneinanderliegende Türen fügen sich weitestgehend unbemerkt in die Architektur des Galerieraumes ein. Wo führen sie hin? Darf man sie öffnen? Ausgehend von dieser konkreten Raumsituation in der Burg Galerie im Volkspark entwickelt Laura Sigrüner, die 2018 ihr Studium an der HFBK Hamburg abschloss, eine ortsspezifische Installation im zweiten Ausstellungsraum. Auch dort scheint es die Türen zu geben, diese besitzen jedoch weder Klinke noch Schloss. Die Blindtüren stellen die Frage nach ihrer Funktion und ihrem Sinn in beiden Räumen. Sind sie Produkt einer architektonischen Umstrukturierung? Folgen sie der Sehnsucht nach Symmetrie? Die irritierende Intervention reiht sich in Sigrüners bildhauerisches Werk ein, welches um Verbindungen, Abgrenzungen und Zwischenräume kreist.

Mit dem Ausstellungstitel twittering machine wird in Anlehnung an Paul Klees Aquarell Zwitschermaschine (1922) auf das Verhältnis von Mensch und Maschine, von Realem und Imaginärem und auf die Rolle von Erfindungen angespielt. Die Übersetzung ins Englische erlaubt eine weitere Assoziation: Rund 100 Jahre später hat ein Gerät, mit dem man nicht nur twittern kann, unser Verhältnis von Raum und Zeit auf den Kopf gestellt.
In einer solchen Welt suchen Bildhauer*innen – so wird es auch Thema in der Ausstellung – neue Formen und stellen zugleich vieles auf den Prüfstand: Stützsysteme, Apparaturen mit Steuerung, Messtechniken, Schnittmuster, aber auch architektonische Einbauten oder ikonische Vorbilder. Es entstehen Objekte zwischen Wesen und Gerät, zwischen Dauer und Flüchtigkeit, mit Referenzen zu unserem Alltag und zu unserer Hybris.
Die Ausstellung twittering machine sollte ursprünglich zeitgleich zur Ausstellung Hannah Schneider – Dancing in a Curtain. Präsentation des Gustav-Weidanz-Preises für Plastik 2019 im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) zu sehen sein. Dies konnte coronabedingt nicht realisiert werden.

 

Ausstellende: Kristina Berning (Berlin), Sarel Debrand-Passard (Münster), Laura Franzmann (Hamburg), Leo Heinik (München), Lukas Hoffmann und Emanuel Guarasco (München), Lisa Kottkamp (Leipzig), Jana Mertens (Halle (Saale)), Paul Schuseil (Mainz), Laura Sigrüner (Hamburg), Johannes Hugo Stoll (Stuttgart), Joshua James Zielinski (Berlin), Claudia Piepenbrock (Bremen), René Weisbrich (Halle (Saale))

 

twittering machine – Positionen junger Bildhauer*innen aus Deutschland
Ausstellungsdauer:
14. Oktober bis 8. November 2020
Livestream aus der Ausstellung mit allen anwesenden Künstler*innen: Dienstag, 13. Oktober 2020, 17.30 Uhr auf www.burg-halle.de/galerie, ab 19 Uhr ist die Ausstellung an dem Abend zudem geöffnet.
Presserundgang: Dienstag, 13. Oktober 2020, 11 Uhr
Ort: Burg Galerie im Volkspark, Schleifweg 8a, 06114 Halle (Saale)
Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag, 14 bis 19 Uhr
Eintritt: Der Eintritt ist kostenfrei. Eine Anmeldung vorab ist nicht notwendig. Besucher*innen müssen eine Mund-Nase-Bedeckung tragen.
Kurator*innen: Dr. Jule Reuter, Kuratorin, Burg Galerie am Volkspark, in Zusammenarbeit mit Gala Goebel, Susanne Henny Kolp, Stefan Hurtig, Susanne Weiß und Rolf Wicker
Weitere Informationen: www.burg-halle.de/galerie
Social Media: Die BURG kommuniziert die Ausstellung in den sozialen Medien mit den Hashtags #BurgHalle und #twitteringmachine

 

Begleitprogramm: Die Teilnahme ist jeweils kostenfrei, bei den Führungen ist eine Anmeldung nicht erforderlich.

Workshop Dinge vom Gewicht: Mittwoch, 21. Oktober 2020, 10 bis 16 Uhr
Ein Workshop mit Lisa Kottkamp (Leipzig) und Joshua James Zielinski (Berlin) im Rahmen der Ausstellung twittering machine. Welche Schritte bin ich als Künstler*in gegangen, um zum jetzigen Stand meiner bildhauerischen Praxis zu gelangen? Wie verhält sich mein Werk in der Trias von Material, Körper und Raum – und welche Rolle spielen dabei der virtuelle Raum, das Experiment und der Prozess für meine Arbeit? Fragen wie diese werden im Workshop aufgegriffen, mit den Teilnehmer*innen werden Wege und Techniken geteilt und erprobt. Maximal acht Teilnehmer*innen dürfen pro Workshop teilnehmen.
Anmeldung bis zum 14. Oktober unter ed.ellah-grub@eirelaggrub

Kuratorinnenführung: Mittwoch, 28. Oktober, 18 Uhr
Die Kuratorinnen Gala Goebel und Dr. Jule Reuter führen durch die Ausstellung.

Kuratorinnenführung: Mittwoch, 4. November, 18 Uhr
Die Kuratorin Susanne Weiß führt durch die Ausstellung.

Führungen durch die Ausstellung: Jeweils sonntags um 15 Uhr führen Studierende der kunstpädagogischen Studiengänge durch die Ausstellung.