Vom 21.9.2021 bis zum 21.10.2021 findet die Vortragsreihe organisiert vom Burg Stura und der Initiative 9. Oktober Halle statt.
Der Anschlag von Halle - antisemitische Ideologie, Memes und die gesellschaftliche „Mitte“
Kurz nach dem rechtsterroristischen Anschlag auf die Synagoge und den Kiezdöner in Halle am 9. Oktober 2019 hat die Hochschulgemeinschaft der Burg eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der zu lesen war: „Wir alle als Zivilgemeinschaft wurden getroffen durch diese menschenverachtenden Taten.“ Und weiter, dass wir zeigen möchten, „dass wir als Hochschulgemeinschaft aufmerksam sind, hinschauen und der Opfer gedenken.“
Diese Aufmerksamkeit kann unseres Verständnisses nach kein symbolischer Akt bleiben, sondern fordert eine Auseinandersetzung mit den Bedingungen, die rechtes Gedankengut und extrem rechte Taten in unserer Gesellschaft entstehen und bestehen lassen.
Die Vortragsreihe, die der StuRa in Kooperation mit der Initiative 9. Oktober Halle organisiert, möchte dazu einen Beitrag leisten.
Wir bitten um namentliche Anmeldung zu den jeweiligen Vorträgen unter ed.ellah-grub@ruts. Die weiteren Räume werden noch bekannt gegeben.
21.09./ 18 Uhr/ Audimax Hörsaal XXI der MLU; Universitätsplatz 1
„Antimoderner Abwehrkampf – Zum Zusammenhang von Antisemitismus und Antifeminismus“
Melanie Hermann
Antisemitische und antifeministische Ressentiments sind sowohl eng miteinander als auch mit einer verschwörungsideologischen Weltsicht verknüpft. Sie treten ineinander verschränkt auf, transportieren und ergänzen sich wechselseitig. Feminismus „verweibliche“ die Männer, verwehre den Frauen ihre natürliche Bestimmung, „frühsexualisiere“ die Kinder und gefährde dadurch das Wohl des „deutschen Volkes“, so verlautbaren rechte Gruppen, Parteien und Attentäter, wie jener aus Halle.
Im virtuellen Raum beschreiben verschwörungsideologische Blogs und Websites den Feminismus als Herrschaftsinstrument der „jüdischen Elite“, das zur Schwächung und letztlich zur Vernichtung des „deutschen Volkes“ eingesetzt werde.
Der Vortrag zeichnet diese Verschränkungen von Antisemitismus und Antifeminismus, insbesondere im Rechtsterrorismus, nach.
29.09./ 18Uhr/ Hörsaal IV der MLU; Ludwig-Wucherer-Straße 2
„Meme-Warriors und Attentäter – Heldenbilder in extrem-rechter Internetkultur“
Johanna Maj Schmidt
Im Kontrast zur ungebrochen heroischen Propaganda der Nazis (und Neonazis) lässt sich im Kontext rechter Internetmeme-Kultur ein teilweise ironisch anmutender Umgang mit Heroismus beobachten. In ihrem Vortrag stellt Johanna Maj Schmidt diesen selbstironischen “Heldentypus” anhand einer Meme-Analyse vor. Trotz des teils humoristischen Umgangs mit Heldenfiguren drängt sich in Hinblick auf rechtsterroristische Attentate wie in Halle, Christchurch etc. und deren memetischer Rezeption die Frage nach zerstörerischen Potenzialen rechter Memekultur auf. So eröffnet sich zwischen einer selbstironischen Verarbeitung des eigenen Verlangens nach dem Heroischen und der Glorifizierung rechter Attentäter im Internet ein unübersichtliches Feld heroischer Darstellungen.
01.10./ 18 Uhr/ Raum tba
„Die Mitte als Retterin der Demokratie? - Zur Demokratiefähigkeit der Christlichen Union“
Marie Sophie Vogel
Passieren rechtsextreme Anschläge wie der in Halle, so wird von politisch-konservativer Seite sehr schnell nach einer stärkeren "Mitte" gerufen, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen. Diese Forderung steht in der Tradition des sogenannten "Extremismusmodells" von Backes und Jesse, mit welchem u. a. die Verfassungsschutzbehörden arbeiten.
Doch ist diese „Mitte“ wirklich der Garant einer starken Demokratie, oder eher Teil des Problems? Nicht erst die Mitte-Studien, sondern bereits Adorno bewertete „das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie.“
Mit Hilfe seiner Texte und Studien hat die Referentin daher die Grundsatzprogramme der CDU und CSU als Akteurinnen der selbsternannten „Mitte“ analysiert. Ziel war es heraus zu finden, ob die Parteien demokratiefähig im Sinne Adornos sind und welche Auswirkungen das Ergebnis auf das umstrittene Extremismusmodell und die demokratische Gesellschaft hat.
In ihrem Vortrag stellt Frau Vogel die Ergebnisse der Analysen vor, anschließend gibt es Raum für Diskussion.
04.10./ 18 Uhr/ Passage 13
„Erinnern stören- der Mauerfall aus migrantischer und jüdischer Perspektive“
Lydia Lierke
Buch- und Filmvorstellung
Der Mauerfall 1989 ging mit einer Vereinigung einher, die im folgenden Jahrzehnt migrantische und jüdische Lebensrealitäten in Deutschland massiv bedrohte. In der ritualisierten Erinnerungskultur ist das Erleben dieses Epochenbruchs aus Sicht der migrantischen und jüdischen Bevölkerung lange eine Leerstelle geblieben. Das Buch möchte diese oft unbekannten Geschichten und Perspektiven auf die deutsch-deutsche Vereinigung wieder sichtbar machen und an die Kämpfe um Teilhabe in den 1980er Jahren, einschneidende Erlebnisse um die Wende und die Selbstbehauptung gegen den Rassismus der 1990er Jahre erinnern. So beinhaltet der Sammelband Geschichten von Bürgerrechts- und Asylkämpfen ehemaliger Gastarbeiter*innen, von Geflüchteten in der BRD und der DDR, Beiträge über den Eigensinn von Vertragsarbeiter*innen, von damaligen internationalen Studierenden, über jüdisches Leben in Ost und West sowie über die Kämpfe von Sinti und Roma im geteilten Deutschland.
13.10./ 18Uhr/ Raum tba
Der Halle-Prozess und die Rolle der Nebenklage
Till Ewald
Am 21. Dezember 2020 wurde der Attentäter von Halle nach einem fünfmonatigen Gerichtsprozess wegen zweifachen Mordes und Mordversuchs an 66 Personen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Zuvor hatten im Prozess zahlreiche Betroffene, Sachverständige, Ermittler*innen und Zeug*innen ausgesagt.
Till Ewald hat den Prozess im Gerichtssaal beobachtet und wird vom Verlauf der Verhandlung berichten. Im Rahmen der Veranstaltung wird dargestellt, wie die der Tat zugrundeliegenden Ideologien, das Umfeld des Täters und die politisch-gesellschaftlichen Dimensionen der Tat im Gerichtssaal verhandelt wurden. Zudem wird auf die Arbeit von Polizei und Ermittlungsbehörden und die deutliche Kritik an dieser eingegangen. Der Fokus des Vortrags liegt dabei auf der Rolle der Nebenkläger*innen im Gerichtsverfahren. Wie prägten sie den Prozess und die gesellschaftliche Verhandlung der Tat? Welche Kritik äußerten Nebenkläger*innen an verschiedenen Aspekten des Prozesses und des Urteils?
Der Vortrag nähert sich somit der Frage, inwiefern der Prozess einen Beitrag zu einer kritischen Aufarbeitung der Tat liefern konnte und warum das Urteil kein Schlussstrich sein darf.
Ausschlussklausel:
Die Veranstalter*innen behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.