Unser Seminar wendet sich an alle, die Lust darauf haben, sich mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen. Es handelt sich um den zweiten Teil unseres Lektüreseminars. Hatten wir im letzten Semester einige Grundbegriffe und Postionen des Designs (Handwerk vs. Design, Funktionalismus, Form etc.) in ihrem jeweiligen theoriehistorischen Kontext (Vormoderne, Industrialisierung, Moderne, Postmoderne) analysiert, wollen wir uns in diesem Semester kritisch mit dieser Designgeschichte auseinandersetzen.
In einem ersten Schritt möchten wir über die Lektüre ausgewählter Texte ein kritisches Bewusstsein dafür schaffen, dass Geschichtsschreibung Narrativen folgt, die alles andere als objektiv sind. Geschichte ist „gemacht“. Das trifft auch auf die Designgeschichte zu. Sie ist verwoben mit dem Narrativ der Moderne, das auf dem Glauben an einen teleologisch ausgerichteten Fortschritt und eine Überlegenheit des Westens aufbaut. Wohin uns das geführt hat und immer noch führt können wir bereits ziemlich genau erkennen - unter anderem bedienen wir uns hierfür der Bezeichnung „Anthropozän“. Um die Genese dieser großen Fortschrittserzählung besser zu verstehen, müssen wir uns in der Zeit sehr weit zurückbewegen. Sehr, sehr weit. Was paradoxer klingt, als es möglicherweise ist. Unsere Überlegungen zum Design, seinen Theorien und Geschichten wollen wir nicht wie gewohnt mit Industrialisierung und Moderne beginnen lassen, sondern mit dem Narrativ der Anfänge der Menschheit. Denn bereits in der Aufklärung tritt der Mensch (weiß, männlich) als Beherrscher der Natur auf. Hier beginnt die Erzählung der Fortschrittsgeschichte von Jägerinnen und Sammlerinnen über landwirtschaftlilche Revolution zur Städtegründung und Saatenbildung und der Erfindung immer effizienterer und komplexerer Werkzeuge, Technologien und Institutionen.
Unsere Motivation ist es, dieses dominante und oft wiederholte Narrative des modernen, westlichen Denkens zu hinterfragen und nach Alternativen zu suchen. Hierzu erschließen wir uns in einem zweiten Schritt historische und gegenwärtige Positionen des Designs, die sich – in ihrem jeweiligen gesellschaftspoltischen Kontext - dezidiert kritisch mit der Fortschrittsideologie auseinandersetzen. Von der „fröhlichen Arbeit“ eines William Morris über Hippie Modernism und DIY Design bis hin zu kritisch-spekulativen Entwürfen und queerfeministischen Technologien.