Nicht nur die altgriechische Philosophie, sondern menschliche Wissensproduktion überhaupt ist verankert in einer vokalen, sozialen Praxis – dem Dialog. Menschliches Denken basiert im Wesentlichen auf der Syntax von Frage und Antwort. Wir nehmen die Gedanken anderer auf, formulieren ein eignes Interesse, reagieren auf die Interessen anderer, stellen die eigene Reaktion infrage, kommen dabei auf einen neuen Gedanken. Mit jeder Fragestellung gehe ich in Kontakt mit einem (imaginären) Anderen. Mit jedem Standpunkt positioniere ich mich in einem imaginären dialogischen Feld. Die Beschäftigung mit dem Denken als einer Tätigkeit, die immer schon im Gespräch verwurzelt ist, öffnet damit auch den Blick für die Handlungsdimension und den politischen Charakter von Theoriebildung.

In der Kompaktwoche lesen und besprechen wir philosophische, anthropologische und transdisziplinäre Texte zum Thema Dialog, Handlungsfähigkeit und Response-abilty. Vor allem aber werden wir dialogisches Denken selbst praktizieren und die Grundtechniken der Theorie – Zuhören, Fragen und Antworten –  in ihrer körperlichen und choreographischen Dimension erkunden. Dialog wird dabei adressiert als eine Kontaktform der Gruppe, als ein interaktives Format, an dem zwei oder mehr Personen beteiligen. Wir begreifen Dialog als einen Ort, wo Machtverhältnisse artikuliert, aktualisiert und verändert werden können. Inwieweit beeinflussen verschiedene Dialogformen, verschiedene Medien und Zeitlichkeiten dabei den Inhalt des Austauschs? Inwieweit unterscheidet sich Wissen gewonnen aus imaginären von Wissen gewonnen aus interaktiven Dialogen?

 

Anna Zett, geboren 1983 in Leipzig, ist Künstlerin und Autorin. Ihre Praxis verbindet analytische Forschung mit einer spielerischen körperlichen Herangehensweise. Von Poesie und Collage kommend begann sie während ihres transdisziplinären Studiums (M.A. Humboldt Universität Berlin, UdK Berlin) Filme zu machen. Seit 2014 ist sie mit ihren Arbeiten im internationalen Kunst- und Performancekontext zu Gast. Zu ihren Veröffentlichungen zählen u.a. der Film This Unwieldy Object (2014), zwei (deutschsprachige) experimentelle Hörspiele (BR 2017, DLF 2015) und die literarische Textsammlung Artificial Gut Feeling (Divided Publishing, 2019). Im Rahmen der darstellenden Kunst entwickelt sie partizipative Formate zur gemeinsamen Improvisation mit Narrativ, Stimme und Bewegung. Seit 2020 leitet sie in Kooperation mit dem Choreografen Hermann Heisig das partizipative Projekt „RESONANZ - Postsozialistische Gruppenimprovisation.“