Ist Design politisch? Können Artefakte politisch sein? Wie materialisiert sich Moral? Gibt es so etwas wie autoritäre Dinge?

Auch wenn vermutlich die meisten auf die oben gestellten Fragen sofort mit einem entschiedenen "Na klar!" antworten und es logisch erscheint, Design auch als eine politische Angelegenheit zu verstehen, war und ist ein politisches Designverständnis nicht selbstverständlich. Zumindest nicht für diejenigen, die Design ausschließlich mit Dingen in Verbindung bringen, die das Leben schöner, angenehmer oder einfacher machen. Dagegen stellt das "Critical Design" Annahmen und Vorstellungen über die Rolle von Gegenständen im täglichen Leben in Frage. Im Seminar wollen wir uns dezidiert mit dieser politischen Seite des Designs beschäftigen. Im Sinne der Aussage, "alles Design ist politisch!", fragen wir danach, wie die Dinge des Alltags politisch wirken. Das ist eine große Frage. Denn die Gesellschaft ist in komplexer Weise auf technologische und mediale Infrastrukturen angewiesen, die sie stabilisiert, aber auch permanent konfiguriert und rekonfiguriert und auf der individuellen Ebene wirken gestaltete Dinge auf unsere Wahrnehmung ein, nehmen Einfluss auf unser Handeln und vermitteln unseren Zugang zur Welt. Dabei kann Design unseren Handlungsspielraum ausdehnen oder einschränken, unseren Horizont erweitern oder uns auf falsche Fährten führen. Diesem Verständnis nach dient ein Entwurf entweder dem Status quo ("affirmative Design"), oder schafft neue Möglichkeitsräume ("kritisches Design"). Doch wie äußert sich die Politik im Design? Wie lässt sie sich beschreiben? Wie wirken die Dinge politisch in unsere Gesellschaft hinein? Wie lässt sich die thing-power (Jane Bennett) gestalteter Dinge theoretisch fassen? Worauf lassen wir uns ein, wenn wir nicht-menschlichen, materiellen oder posthumanen Akteuren eine politische Wirkmacht ("agency") zugestehen?

Im Seminar schauen wir uns Objekte und Theorien an, die sich der Frage nach der Politik von Artefakten aus unterschiedlichen disziplinären Hintergründen nähern. Darunter sind Texte aus der Designtheorie, aus der Wissenschafts- und Technikforschung (engl. Science and Techology Studies), der Technikphilosophie und der Medienwissenschaft sowie Texte, die der Strömung des neuen Materialismus zugeordnet werden können.

Voraussetzung zur Teilnahme ist die Bereitschaft, auch längere Texte auf Deutsch und Englisch zu lesen.

 

Literaturempfehlungen

  • Flood, Catherine; Grindon, Gavin (Hg.) (2014): Disobedient objects. Victoria and Albert Museum. London: V&A Publishing.
  • Pater, Ruben: The politics of design. A (not so) global manual for visual communication. Amsterdam.
  • Latour, Bruno (2006): Über technische Vermittlung. Philosophie, Soziologie und Genealogie. In: Andréa Belliger und David J. Krieger (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript (Science studies), S. 483–528.
  • Winner, Langdon (1980): Do artifacts have politics? In: Daedalus 109 (1), S. 121–136.

Textauszüge und weitere Literatur werden während des Kurses bereitgestellt.