Die erste große Revolution in Lateinamerika fand in Haiti statt. Diese Revolution begann 1791 und gipfelte in der Unabhängigkeitserklärung Haitis im Jahr 1804 – ein Ereignis, das eine auf der Basis der Gewalt der Sklavenarbeit organisierte Welt schockierte.
Im Seminar wird zunächst die haitianische Revolution als paradigmatischer Fall analysiert, der einen Weg zu einer anderen Art von Moderne oder „Gegenmoderne“ eröffnete, ein Weg, auf dem sich Lateinamerika, die Karibik und die afrikanischen Länder seither bewegen. Wie speist sich Kunst aus politischen Widerstandsbewegungen und wie beeinflussen diese Bewegungen die künstlerische Praxis? Ausgehend von der Rolle der Kunst in der haitianischen Revolution werden wir verschiedene mögliche Antworten auf diese Fragen geben. Dafür werden wir auch zeitgenössischen Kunstwerke aus Haiti betrachten, in denen die Symbole des Voodoo immer wieder auftauchen.
Der revolutionäre Charakter der Voodoo-Spiritualität prägt die Kunstwelt heute stark. In Benin sind die meisten Künstler*innen auch in den Voodoo eingeweiht und Voodoo ist da ein Instrument der nationalen Identität. Die Regierung errichtete in den letzten Jahren viele öffentliche Denkmäler für die Voodoo-Kultur. Im Nachbarland Nigeria haben die spirituellen Praktiken und Kunstwerke der Yoruba dazu beigetragen, dass der Heilige Wald von Osogbo zum Unesco-Kulturerbe erklärt wurde. Die Diskussion über die politische Transformationskraft der Kunst in diesen beiden westafrikanischen Ländern wird durch Beispiele von historischen Ausstellungen wie dem „World Black and African Festival of Arts and Culture“, Festac '77, in Lagos, Nigeria, 1977, bereichert. Im Zusammenhang mit Festac '77 sind die problematischen Sammlungen afrikanischer und amerindischer Kunst in europäischen Museen und die Frage der Rückführung ein weiteres wichtiges Thema, das Kunst und politische Bewegungen miteinander verbindet.
Weitere historische Beispiele, die wir im Seminar besprechen wollen, betreffen den Einfluss der kubanischen Revolution (1959) auf die Konzepte der dritten Biennale von Havanna (1989) und die Präsenz des Konzepts des „Quilombismo“ in Kunstwerken der Gegenwart (zum Beispiel in der Praxis von Abdias Nascimento). „Quilombo“ ist eine demokratische Struktur, die von versklavten Menschen in Brasilien geschaffen wurde, nachdem sie den Plantagen entkommen konnten. Diese Territorien bestehen heute noch und fordern eine Autonomie.
Einführende Literatur:
Buck-Morss, Susan: Hegel and Haiti. In: Critical Inquiry, Vol. 26, n.4, 2000. Pg. 821 – 865.
Taussig, Michael: Mimesis and Alterity: a Particular History of the Senses. Routledge, New York 1993.
Soyinka, Wole: Beyond Aesthetics: Use, Abuse and Dissonance in African Art Traditions. Bookcraft, Ibadan, Nigeria 2020.
Ndikung, Bonaventure Soh Bejeng: Abdias Nascimento – Being An Event of Love. Archive Books, Berlin 2022.
Savoy, Bénédicte: Africa’s Struggle for Its Art: History of a Postcolonial Defeat. Princeton University Press, 2022.
Weiss, Rachel u.a.: Making Art Global (Part 1): The Third Havana Biennial 1989. Afterall Books, London 2012.
Name der Lehrenden / Name of Teacher
Dr. Ana Hupe
Veranstaltungsart und -methodik / Teaching and working methods
Seminar
Lernziel, Qualifikationsziele / Objectives, Learning Outcome
- Einführung in kunst- und kulturwissenschaftliche Methoden und Epochen
- Reflexion eines kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Diskursfeldes
- Verständnis für disziplinäre und transdisziplinäre Theorien, insbesondere Postcolonial Studies
- Erweiterung des eigenen methodischen Spektrums
Veranstaltungsart und -methodik / Teaching and working methods
Seminar
Verwendbarkeit / Applicability
Kunstgeschichte (Diplom Kunst); Kunstgeschichte I oder II (Lehramt); MA Kunstwissenschaften: Modul 1 (Methoden), Modul 2 (Theorien und Diskurse);
Beurteilung / Assessment
Teilnahme (T), Hausarbeit (H), mündliche Prüfung nur für Lehramt, Kunstgeschichte II
Zugangsvoraussetzung / Prerequisites
keine
Umfang in SWS / Semester periods per week
2 SWS
Häufigkeit, Dauer und Termine, Ort des Angebots / Appointed time and location
Dienstag, 16:15 – 17:45 Uhr in den Normalwochen
Beginn: 4. April 2023
Ort: Seminarraum Bibliothek, Neuwerk 7