Ein Workshop mit Martina Hefter, Text, Raum, Bewegung, Sprechen
Wovor fürchtet ihr euch so? Ich fürchte mich zum Beispiel im Alltag vor großen Spinnen. Deswegen habe ich vor ca. zwei Jahren angefangen, zunächst kleine Spinnen bewusst in die Hand zu nehmen. Dann immer die nächstgrößere nach einer bestimmten Zeit. Inzwischen kann ich auch mittelgroße Kreuzspinnen anfassen. Ziel ist, dass ich mich spätestens im nächsten Herbst, wenn wieder riesige Spinnen in meine Wohnung kommen, nicht mehr fürchten muss.
In meiner künstlerischen Arbeit fürchte ich mich oft davor, etwas Peinliches zu machen, etwas, das in meiner Wahrnehmung von den jeweils aktuellen Diskursen als nicht up to date, als irrelevant, als emotional, kitschig oder als dumm empfunden werden könnte. Oft sind das aber genau die Herangehensweisen, die mir für mich gefallen. Ich wünsche mir für zum Beispiel, dass meine Arbeiten die Leser*innen bzw. das Publikum so berühren, dass sie beim Lesen oder Zuschauen auch mal weinen. Aber dann fürchte ich, dass genau das ziemlich verboten ist - mein Wunsch, sowie das Weinen selbst. Ich habe deswegen angefangen, mich in alles Mögliche zu stürzen, von dem ich glaube, dass es quasi verboten ist. Ich habe mir gesagt, dass Diskurshoheit ein Ausschlussmechanismus ist, der bestimmte Arbeitsweisen und mit ihnen Lebensläufe, Identitäten und vielleicht auch ganze soziale Gruppen aus der Kunst ausschließt. Aber wo verläuft die Grenze zwischen radikaler Furchtlosigkeit und Beliebigkeit? Oder bilde ich mir das sowieso nur ein mit den Diskursen?
In meinem Workshop möchte ich diese Gedanken als Hintergrund hernehmen, um mit Text, dem Raum, unseren Körpern und unseren Stimmen zu arbeiten. Ein Thema würde ich gern mit euch zusammen finden. Vielleicht könnten “Furcht” oder auch “Angst” Stichworte sein. Oder “Weinen”. Ich selbst erkunde in der Literatur gern Bereiche, die sich ins Szenische bewegen, also auch etwas mit Theater zu tun haben, ohne gleich ganz und gar Theater zu sein. Auch essayistische Texte und Gedichte und sämtliche Mischformen finde ich gut. Wir könnten die Mündlichkeit von Texten mit in Betracht nehmen, und schauen, wie ein Text gesprochen/dargestellt, vielleicht sogar in Bewegung gebracht werden könnte, oder auch nicht. Vielleicht gibt es aber auch Texte, die einfach auf Papier/dem Display/einer Wand usw. stehen sollen.
Vielleicht machen wir eine Show. Oder einen bunten Abend, wo wir uns und anderen Menschen Anekdoten erzählen über das, wovor wir uns mal gefürchtet haben. Vielleicht machen wir aber auch was ganz anderes, es darf auf jeden Fall so sein, dass es zuerst mal uns selber gefällt und womit wir uns wohl fühlen.
Zwei Auszüge zum Weinen:
https://www.youtube.com/watch?v=I4sGDnltM_Q
https://www.youtube.com/watch?v=6X1IzB3_jF0
Mi., 17.– Fr., 19. November 2021
Anmeldung bei Elisabeth Würzl: ed.ellah-grub@lzreuw
Ein Workshop im Rahmen von „Lernen von ...“
Martina Hefter lebt in Leipzig als Autorin und Performerin. Nach einem Studium des zeitgenössischen Tanzes in Berlin studierte sie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Martina Hefters Texte bewegen sich zwischen Gedicht, Essay und szenischen Schreibformen. Viele ihrer Texte setzt sie selbst szenisch um und mischt dabei Elemente des Theaters und der Performance, sie ist darin sowohl authentische Person als auch theatrale Figur. In ihren jüngsten Arbeiten stellt sie individuelle Schicksale in Bezug zu gesellschaftlichen Bedingungen und Zuständen. Martina Hefter war Mitglied des Performancekollektivs Pik7 (mit Angelika Waniek und Ulrike Feibig) und arbeitet von Zeit als Gastperformerin in Projekten, z.B für das Urban Collective, Zinzi Buchanan/Fayer Koch und Heike Hennig in Leipzig sowie für Tino Sehgal in Dsŕesden und Berlin.
Veröffentlichungen
2021 In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen, Gedichte, kookbooks-Verlag, Berlin
2018 Es könnte auch schön werden Gedichte und Sprechtexte, kookbooks-Verlag, Berlin
2016 Ungeheuer Gedichte, kookbooks-Verlag, Berlin
2014 Tanzen Essay, Verlagshaus Berlin
2013 Vom Gehen und Stehen. Ein Handbuch Gedichte, kookbooks-Verlag, Berlin
2010 Nach den Diskotheken, Gedichte,, kookbooks-Verlag, Berlin
2008 Die Küsten der Berge, Roman, Wallstein-Verlag, Göttingen
2005 Zurück auf Los, Roman, Wallstein-Verlag Göttingen
2001 Junge Hunde, Roman, Alexander Fest-Verlag, Berlin
Performance (Auswahl)
2021 “The Kränk” für “Sick Bed Series” von Zinzi Buchanan und Fayer Koch Videoperformance http://sickbedseries.com/de/back-to-bed/the-kraenk
2021 “Mein Haus meine Freunde mein Pferd/Ein Saal für euch da draußen” Deutsches Literaturinstitut Leipzig, Acht-Stunden-LiveStream https://www.youtube.com/watch?v=U8RXjagTMw0, https://www.youtube.com/watch?v=I4sGDnltM_Q, https://www.youtube.com/watch?v=6X1IzB3_jF0
2020 Es könnte auch schön werden, mit Kollektiv Pik 7, Schaubühne Lindenfels, Leipzig