Der Geiseltalsee ist der größte künstliche See Deutschlands und entstand aus einem ehemaligen Tagebaurestloch, nachdem der Braunkohletagebau in der Region im Jahr 1993 eingestellt wurde. Seit Mitte der 1990er Jahre wurde dieses Restloch zu einem bedeutenden kulturellen und ökologischen Wahrzeichen umgestaltet. Die Transformation des ehemaligen Tagebaus zu einem See war ein Designprozess von enormen zeitlichen und räumlichen Dimensionen. Heute beherbergt der Geiseltalsee touristische Attraktionen wie die Marina Mücheln, die Ausstellungshalle Pfännerhall in Braunsbedra und sogar einen Weinberg. Die Auszeichnung als „Lebendiger See“ im Jahr 2023 würdigte die reiche Biodiversität und ökologische Vielfalt, die sich in diesem künstlichen Ökosystem entwickelt hat.

Die Entstehung des Geiseltalsees und die Gestaltung seiner Umgebung werfen faszinierende Fragen zur menschlichen Wahrnehmung von Naturbildern und zu den Prozessen menschlicher Interventionen in Landschaften auf. Insbesondere im Kontext des Anthropozäns, des geologischen Zeitalters, in dem menschliche Aktivitäten die dominierende Einflussgröße auf die Umwelt darstellen, sind diese Fragen von entscheidender Bedeutung. Aus einer theoretischen Perspektive werden wir uns mit Konzepten zur Landschaftsdokumentation und -ästhetik befassen, die bereits im 19. Jahrhundert von Pionieren wie Alexander von Humboldt und Henry David Thoreau entwickelt wurden. Wir werden untersuchen, wie diese historischen Ansätze zur Erfassung und Darstellung von Landschaften in Beziehung zu aktuellen Analysen zum Anthropozän stehen und wie sie uns helfen können, die komplexe Beziehung zwischen Mensch und Natur in der modernen Welt zu verstehen. Darüber hinaus werden wir uns mit Konzepten des New Materialism auseinandersetzen, einer theoretischen Strömung, die die Bedeutung nichtmenschlicher Akteure und Materialitäten in der Formung von Landschaften und Umgebungen betont, um ein tieferes Verständnis für die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt zu entwickeln und die Rolle von Materialität in der Landschaftsgestaltung zu untersuchen.

Dieses Seminar ist eine Kooperation zwischen der Humangeographie der Martin-Luther-Universität Halle und der Design- und Architekturgeschichte der Kunsthochschule Burg Giebichenstein. Im Rahmen dieses Seminars werden wir vor Ort eine Exkursion unternehmen, um die Landschaftsbilder des Geiseltalsees zu dokumentieren und die Spuren und Relikte der kulturellen und ökologischen Prozesse zu erkunden, die diesen einzigartigen Ort geformt haben. Dieses Seminar bietet eine einzigartige Gelegenheit, theoretische Konzepte mit praktischen Erfahrungen vor Ort zu verbinden und einen interdisziplinären Ansatz zur Erforschung von Landschaften und Umweltfragen zu entwickeln. Studierende werden die Möglichkeit haben, ihre eigenen Forschungsprojekte zu entwickeln und zu präsentieren, die sich mit spezifischen Aspekten der Landschaftsdokumentation, -ästhetik und des Anthropozäns am Geiseltalsee befassen. Abschließend wird das Seminar dazu beitragen, ein tieferes Verständnis für die komplexen Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt zu entwickeln und die Bedeutung von Landschaften als kulturelle, ökologische und ästhetische Räume im Anthropozän zu verstehen.

Literatur wird online zur Verfügung gestellt.