Die Überlegungen und Vorschläge des Seminars finden ihren Ausgangspunkt in einer sozialen Tektonik, den zahlreichen, (aktuellen), separatistischen Bewegungen, die auf die Gewalt, Willkür und Fragilität von Grenzen und Nationalstaatlichkeit verweisen sowie diese von neuem in den Diskurs eintragen.
Was passiert, wenn eine Gruppe von Individuen* ihre Unzugehörigkeit zum Ausdruck bringt, was, wenn sie sich abspaltet? Welche Sprechweisen und Poetiken markieren und vollziehen die (Ab-)Spaltung? Welche Ein- und Ausschlüsse werden produziert?
Von hier schlägt die Fragestellung um und wechselt die Ebene, schrittweise: Was auf der Makroebene (Nationalstaatlichkeit) beobachtbar und benennbar wird, findet ebenso auf kleinerer Ebene statt: häufig im Alltäglichen, in minoritären Gesten, in Ab- und Ausbrüchen, Ein- und Ausschlüssen. Separatistische Bewegungen, Aneignung von Raum, Umnutzung von Ressourcen, die auf individueller* und kollektiver Ebene das im identitätsstiftenden (National-)Mythos gesetzte Kontinuum zu unterbrechen vermögen. Politische Kämpfe, wie deren Ausdrucksräume und Poetiken, die sich der Unterwerfung entziehen, das Skript umschreiben und Räume besetzen, in denen mit Regulation und Verwaltung experimentiert wird. Eigenwillige, queere Räume, Taktiken der Entunterwerfung und Techniken des Ungehorsams, die in temporär und semi-durchlässig abgesonderten Zwischenräumen entstehen und von dort aus die Gewaltförmigkeit, Willkür und Fragilität der bestehenden Ordnung (aka Kapitalismus, Heteronormativität, Patriachat, Unterdrückung und Disziplinarisierung) von innen heraus stören und vorführen oder in Rückkopplung doch wieder perpetuieren. Bewegungen, die Zugehörigkeit vielfältig denken und Öffnungen schaffen; die aber ebenso (strategisch) Ausschlüsse produzieren und mit Existenzweisen jenseits des Normativen experimentieren, dabei jedoch selbst immer wieder Gefahr laufen, ausschließend und diskriminierend zu wirken.
Das Seminar trägt vielfältige Positionen und Annäherungen zusammen – tentativ, in kleinen Schritten sollen Ansätze auf die Frage, wie und in welchen Zusammenhängen und Zwängen ‚wir‘ leben wollen, formulierbar werden. Dabei fokussieren wir in gemeinsamer Lektüre Ansätze zur Transformation und dem Denken alternativer Subjektivierungs-, Lebens- und Gemeinschaftsentwürfe – ohne diese unkritisch zu affirmieren, sondern als das ernst zu nehmen, was sie darstellen: Nämlich Versuche/Experimente mit historisch-geografischem Index, die zu einer ebenso kritischen wie affirmativen Lektüre auffordern.
Mit Texten von u.a. Donna Haraway, Judith Butler, Fred Moten/Stefano Harney, TIQQUN, Michel Foucault, Rosi Braidotti, Sara Ahmed und David Wojnarowicz.