Die Hochschule für Gestaltung Ulm wurde 1953 von Inge Scholl, Otl Aicher und Max Bill gegründet. Man wollte mitgestalten am Aufbau einer demokratischen Gesellschaft. Das Erbe des Bauhauses annehmend, entwickelte und emanzipierte sich die Institution schnell zu einer der innovativsten und experimentierfreudigsten Orte für die Gestaltungsausbildung. Radikal und streitbar agierten die Beteiligten in Spannungsfeldern zwischen Kunst und Design, Wissenschaft und Gestaltung, Theorie und Praxis, ihrer Arbeit für die Industrie und den Bedingungen der kapitalistischen Marktwirtschaft. Bereits 15 Jahre später mündeten die Spannungen in die Schließung der Hochschule.
Seitdem schlummert das Erbe der HfG keineswegs im Dornröschenschlaf, sondern prägt die gestaltete Welt bis heute. Dennoch haftet den gegenständlichen Hinterlassenschaften des abgeschlossenen Projekts etwas Konservenartiges an. – Sei es der historische Gebäudekomplex auf dem Ulmer Kuhberg, wo Max Bill, ehemaliger Bauhäusler und erster Rektor, das Ausbildungskonzept architektonisch umgesetzt und einen Campus geschaffen hat, der das Arbeiten, Wohnen und Leben der Studierenden und Lehrenden formte. Sei es die hochschuleigene Bibliothek, die die Quellen der damaligen Nutzer*innen zum Zeitpunkt der Schließung verwahrt und Auskunft geben kann über Impulse, Themen und Schwerpunkte. Sei es die Hochschulzeitschrift, in der Einblicke und Kommentare veröffentlicht wurden. Oder seien es originale Entwürfe, Skizzen, Dokumente, Schnipsel, Aufgabenstellungen, Fotografien und andere Dinge, die in den Regalen, Kisten und Mappen des ortsansässigen HfG-Archivs vor dem Zerfall bewahrt werden.
In dieser Kompaktwoche haben wir die Gelegenheit, selbst Kontakt mit diesen Hinterlassenschaften aufzunehmen, uns ein eigenes Bild zu machen, drumherum zu spazieren, uns hineinzubegeben, Kisten zu öffnen, Inhalte in die Hand zu nehmen, genauer hinzusehen, vielleicht sogar Aufgabenstellungen nachzuvollziehen.
Was können wir erkennen, wenn wir heute auf die Perspektiven von Gestalter*innen der 1950er und 1960er schauen? Was wissen wir und was finden wir vor? Was wird uns erzählt und was sehen wir selbst? Können wir Bezüge herstellen zur eigenen gestalterischen Arbeit? Das Kompaktseminar bietet den Teilnehmer*innen die Möglichkeit, sich autoethnografisch mit den Gegebenheiten vor Ort auseinanderzusetzen und dokumentarisch zu arbeiten oder die Fundstücke auf Basis eigener Themen oder Fragestellungen gestalterisch zu verarbeiten.
Voraussetzung für die Teilnahme ist ein Vorbereitungstreffen. Der Termin wird per Doodle abgestimmt.
Zur Vorbereitung wird im Semesterapparat der Bibliothek Literatur zur Verfügung gestellt. Im digitalen Semesterapparat kann Filmmaterial eingesehen werden, sowie die Zeitschriften:
- ulm 1–21, Zeitschrift der Hochschule für Gestaltung, erschienen 1958–1968.
- Output 1–26, Studentenzeitschrift der Hochschule für Gestaltung, Ulm, erschienen 1961–1964.