Seien es Walking Interviews und Go-Alongs als ortbasierte Methoden der qualitativen Sozialforschung (Kusenbach 2003), Audioguides und Audiowalks als Tools der Wissensvermittlung und künstlerisch-forschende Praxis (Steindorf 2019) oder die Spaziergangswissenschaft bzw. Promenadologie als Erweiterung der Landschafts- und Umweltwahrnehmung (Burckhardt 2015) – das Gehen erfreut sich in zahlreichen Disziplinen in den letzten Jahren wachsenden Interesses. Bewegung, Mobilität, Zirkulation und Flüsse sind auch zentrale Topoi, Referenzen und Metaphern im Diskurs über digitale und datafizierte Welten. Waren es in den 1990er Jahren noch Begriffe wie der Information Superhighway oder das Surfen, die eine grenzenlose und postnationale Welt des Space of Flows (Castells 1999) und ein widerstandsloses Umherschweifen im WWW versprachen, so steht heute die beschleunigte Zirkulation von Daten und Code für die wesentliche Grundlage der Digitalisierung und damit für ein alltägliches „Geographiemachen“ in Bewegung. Zugleich generieren ortsbasierte Medien, virtuelle Umgebungen oder digitale Technologien, die versuchen IRL zu navigieren, ihre je eigenen Formen der (Im)Mobilität. Die Grundlagen dieser Mobilitäten sind dabei an räumlich fest verankerte und potentiell lokalisierbare Materialitäten gebunden: Sie liegen in Kabeln, Routern und Funkmasten, bestehen aus Beton, Kupfer und Glasfaser, sie werden auf mobilen Endgeräten, Sensoren und Servern zusammengebracht und aktualisiert.
Diesem Spiel von Mobilität und Fixierung im Digitalen möchten wir uns in einer Lehrveranstaltung zwischen Geographie und Designtheorie annähern. Dabei möchten wir in der interdisziplinären und experimentellen Lehrveranstaltung das Interesse an digitalen Geographien und Geomedien mit den erwähnten mobilen Methoden zusammenbringen. Hierzu erproben wir im Rahmen einer Kompaktwoche (Burg) bzw. der Exkursionswoche (MLU) beispielhafte Zugänge eines „Walking the digital“, die Inspirationen aus Game Studies, Algorithmic Walks und Critical Infrastructure Walks aufnehmen.
Literatur zur Einführung
- Burckhardt, Lucius (2015): Warum ist Landschaft schön? Die Spaziergangswissenschaft. 4. Auflage. Hg. v. Markus Ritter und Martin Schmitz. Berlin: Schmitz, S. 267ff.
- Burrington, Ingrid (2016): Networks of New York. An illustrated field guide to urban internet infrastructure. Brooklyn, London: Melville House.
- Castells, Manuel (1999): Grassrooting the Space of Flows. In: Urban Geography 20 (4), S. 294–302.
- Kusenbach, Margarethe (2003): Street Phenomenology. The go-along as ethnographic research tool. In: Ethnography 4 (3), S. 455–485.
- Oever, Niels ten; Maxigas (2023): Standing Out. Critical Infrastructure Walks in Amsterdam. In: Corinne Cath (Hg.): Eaten by the Internet. Manchester: Meatspace Press, S. 99–104
- Steindorf, Johanna (2019): Speaking from Somewhere: Der Audio-Walk als künstlerische Praxis und Methode. PhD-Thesis. Bauhaus-Universität Weimar.
- Ziewitz, Malte (2017): A not quite random walk: Experimenting with the ethnomethods of the algorithm. In: Big Data & Society 4 (2), 205395171773810. DOI: 10.1177/2053951717738105.