Praxisprojekt von Julia Hosp im Rahmen des Masterstudiengangs Kunstwissenschaften.
Das Projekt (be)STIMMUNG des Ortes als Chor wurde vom 1. – 17. Juli 2022 auf dem Festival OSTEN als Teil des Parcours im Inneren des Kulturpalast Bitterfeld präsentiert.
Die antike Figur des Chores beschreibt eine Versammlung von Stimmen, die vom Rande her, aus der Marginalität heraus sprechen und deren Ansprache dem Zentrum gilt. Im Sprechen dieser Gemeinschaft und der dadurch entstehenden Präsenz wird der Leerstand im Zentrum zum Paradoxon. Der Bitterfelder Kulturpalast ist ein stillgelegter Erfahrungsort. 1954 eröffnet im Bestreben des Staates, Kunst und Kultur mit dem Alltag der Werktätigen des VEB Chemiekombinat Bitterfeld zu verbinden, wurde der Bitterfelder Kulturpalast Austragungsort eines zur damaligen Zeit neuen kulturpolitischen Programms, des sogenannten Bitterfelder Weges. In einer für das Festival OSTEN geplanten Installation mit Hörstück wurde der Ort des Kulturpalastes in einem offenen Rechercheprozess als ‚Erinnerungsort‘ befragt. Welche Bedeutung hat der Kulturpalast für die Einwohner*innen Bitterfelds? Wie wirkt das ehemalige Volkskunstschaffen in die heutige Bitterfelder-Kulturarbeit hinein? Und wie stehen individuelles und kollektives Gedächtnis in einer ständigen Dynamik zueinander?
Zentrale Rolle der Installation mit Hörstück nahm das Medium der Stimme ein. Im Sprechen der Stimmen wird die Anwesenheit individueller Erfahrungen mit dem Kulturpalast, die zu Zeiten der DDR, nach 1989 und heute gewonnen wurden, vergegenwärtigt. Gleichzeitig verweisen die Stimmen auf die Abwesenheit der Körper. In der Präsenz des Lautes wird der prekäre Zustand der Stimmen erfahrbar. Die Stimme entzieht sich einer konkreten Örtlichkeit und ist der Möglichkeit des Verstummens ausgesetzt, wenn die Rezipierenden die Stimme nicht wahrnehmen, ignorieren oder der Laut auf keine Zuhörer*innenschaft stößt.
In der audiovisuellen Inszenierung der Stimmen entstand ein Erinnerungsraum, der diese Latenzen erfahrbar macht. In Formen chorischen Sprechens wurde die Instrumentalisierung und Behauptung von Gemeinschaft kritisch befragt, lief Logiken der Gleichschaltung zuwider. Stimmen wurden Träger der Aushandlung von Erinnerung.