Dilemma Passform
Die Passform ist ein Dilemma. Die Passform ist ein Dilemma zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Sie ist ein Dilemma der Körper und Ideale. Sie ist ein Dilemma der Perspektiven und Kontexte. Sie ist ein Dilemma der Ressourcen & Realitäten. Sie scheint ein Mysterium und eine Gleichung unterschiedlichster Variablen zu sein. In Zeiten gesteigerter Medialität und Phänomenen der High-Visibility ist die Passform als Zeichen raffinierter körperbezogener Dreidimensionalität zweidimensionalen visuellen Effekten oft nachgestellt. Dennoch, die Passform ist einer der Qualitätsparameter in der Mode, aber vor allem für die Konfektion ist sie eine der größten Herausforderungen im Spagat zwischen Standardisierung und Personalisierung. Die Passform beschreibt das Verhältnis zwischen Körper und Kleidung. Aber welche Passung, zu welcher Form, welchen Körpers und welcher Kleidung ist damit eigentlich gemeint? Unsere Körper könnten nicht unterschiedlicher sein. Dennoch, der Begriff der Passform ist heute geprägt von Normierung, Hierarchisierung und Vergleichung – durch industrielle Standards, soziale Normen und ästhetische Ideale. „Most student successfully graduate fashion school without ever attempting to design clothing for a body that isn’t thin, let alone non-binary or disabled.“, schreibt Ben Barry in seinem 2021 veröffentlichten Manifest „How to transform fashion education: A manifesto for equity, inclusion and decolonization“. Die „gute Passform“ ist ein streitbarer Begriff. Sie ist nicht nur eine Frage der Technik von Maßen, richtiger Vermessung oder genauer Konstruktion. Sie ist vielmehr eine Frage der Werte. Wie zeitgemäß ist der Begriff der Passform überhaupt? Die großen Entwicklungsthemen fordern den Begriff heraus. Digitale Technologien mit ihren intelligenten Systemen und Materialien werden Kunden und Herstellung in Zukunft noch stärker und direkter verknüpfen. Die Frage ist dann nicht mehr, ob Passform stattfindet, sondern wann, wie, von wem und mit welchen Daten? In der Nachhaltigkeit stehen die serielle Passform und systemische Größenskalierungen vor enormen Herausforderungen und fordern ein, uns von gewohnten Vorstellungen und Verlässlichkeiten von Passform-Standards zu lösen.
Während Nachhaltigkeitsbemühungen also ressourcenabhängige und nicht körperbezogene Argumente in den Vordergrund stellen, sind die Möglichkeiten im Virtuellen scheinbar unbegrenzt. Aber welche Rolle spielt die Passform im Virtuellen, wenn es die Referenz Körper mit all seinen physischen und physiologischen Gegebenheiten gar nicht mehr gibt? Is Fit also Modern?
Das Projekt wurde unterstützt von der Firma Cerruti.
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1 Der Titel des Projektes ist angelehnt an die von Bernhard Rudofsky kuratierte erste Modeausstellung Are Clothes Modern? im MoMA 1944 und die Folgeausstellung des MoMA 2017 Items: Is Fashion Modern?.
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2 Barry, Ben (2021) ‚ How to transform fashion education: A manifesto for equity, inclusion and decolonization ‘, International Journal of Fashion Studies, Vol. 8, N° 1
Lehrende:
Vertretungsprofessorin Franziska Schreiber
Dominik Cosentino