„Wir haben den Funktionalismus satt!“ lautete Anfang der 1960er das Credo im Design. Im Laufe des Jahrzehnts nahm die Funktionalismus-Kritik dann richtig Fahrt auf. Insbesondere in der Gegenkultur in Großbritannien, den USA und in Italien verband sich diese mit einer allgemeinen Kritik am Konsum, der Wegwerfgesellschaft im Speziellen sowie an der industriellen Produktion insgesamt. Damit einher ging eine Missbilligung der Rolle der Gestaltung und der Gestaltenden als Handlanger*innen der Industrie beteiligt an der Verführung der Massen. Mit der beginnenden Postmoderne deutete sich ein Wandel im Designverständnis an und bisher geltende Maximen und Leitvorstellungen für die gestalterische Tätigkeit wurden in Frage gestellt. In der Praxis schlug sich das beispielsweise im sogenannten Anti- oder Radical Design italienischer Prägung nieder, das den vermeintlich emotionslosen, funktionalistischen Massenprodukten individuelle und sinnlich ansprechende Unikate entgegengesetzte. Grob gesagt warf man dem funktionalistischen Design eine deutliche Tendenz zur Rationalisierung gestalterischen Handelns vor – eine Vernachlässigung der sinnlichen und symbolischen Qualitäten gestalteter Dinge. Dem setzte man emotionalisierte Objekte entgegen und betonte in der Theorie die symbolischen und kommunikativen Dimensionen der Dinge.
Im geteilten Deutschland der 1960er und 1970er Jahre beeinflussten unterschiedliche Bedingungen des Designs in einem planwirtschaftlichen und einem kapitalistischen System diese Entwicklungen – und doch lassen sich rückblickend auf Ost und West neben großen Unterschieden auch Parallelen feststellen. Denn zunächst führte die aufkommende Konsumkritik in beiden Teilen nicht zu einer Abkehr vom Funktionalismus. Ganz im Gegenteil, gerade durch eine an der Funktion orientierte asketische Formsprache hoffte man, Konsumkritik zu üben. Die Idee, dass Dinge auch eine symbolisch-kommunikative Dimension besitzen, wurde de facto in die funktionalistischen Theorien integriert. So erweiterte zum Beispiel Horst Oehlke* seine grundlegenden Produktfunktionen um eine kommunikative Funktion und bezog so vermittelte Informationen und Bedeutungen in die Analyse von Designobjekten mit ein. Während man in der DDR länger an den funktionalistischen Doktrinen festhielt, konnte sich in der BRD eine postmoderne Experimentierfreude ausbreiten. Doch auch hier wurde weiter und neu über Funktionen im Design nachgedacht. In Westdeutschland prägen vor allem ehemalige Lehrende sowie Studierende der 1968 geschlossenen Hochschule für Gestaltung Ulm den Diskurs um den erweiterten Funktionalismus, ebenfalls mit einem Schwerpunkt auf Kommunikation und Sprache. An der Hochschule für Gestaltung Offenbach wird eine Theorie der Produktsprache entwickelt, die als Offenbacher Ansatz bekannt wird. Der Offenbacher Ansatz richtet den Blick vom Gegenstand auf die Mensch-Objekt-Beziehung. Dabei werden Designobjekte nicht mehr als reine Funktionsträger verstanden, sondern auch oder sogar in erster Linie als Träger von Informationen und Bedeutungen. Klaus Krippendorff, ebenfalls HfG Ulm-Absolvent entwickelt schließlich gemeinsam mit Reinhart Butter eine Theorie der Produktsemantik und verkündet die semantische Wende des Designs: Design IST in erster Linie Kommunikation. Doch dabei handelte es sich nicht nur um eine theoretische Wende. Die Hinwendung zur kommunikativen Funktion von Gestaltung geschieht auch unter dem Eindruck neuer Technologien, die neue Ausdrucksformen ermöglichen. So bot die Computertechnologie ein neues Betätigungsfeld für das Design, denn nicht zuletzt mussten Systeme, Schnittstellen und Interfaces den Menschen zugänglich gemacht werden.
Dieses Nachdenken über kommunikative, sprachliche, semantische „Funktionen“ des Designs wollen wir im Rahmen dieses Seminars nachvollziehen. Anhand historischer Originaltexte und deren Rezeptionen und Einordnungen verschaffen wir uns einen Überblick über die Entwicklungen der Diskurse. Ziel ist es, die gefundenen theoretischen Grundlagen auf Fallbeispiele aus der Designpraxis zu übertragen und aus der Gegenwart heraus zu reflektieren.
* Industriedesigner und Designtheoretiker, ehemaliger Professor an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle – Burg Giebichenstein (kurz HIF)
Diagramm im Hintergrund: Horst Oehlke: Die Produktinformationsklassen. In: Produkterscheinung, Produktbild, Produktleitbild, 1986, S. 54.
Literatur: folgt in Kürze