Die Wiederentdeckung und Kanonisierung weiblicher Künstlerinnen, die in der männerdominierten Kunstgeschichte untergegangen sind, sind seit den 1970er Jahren wichtige Praktiken der feministischen Ausrichtung kunstwissenschaftlicher Arbeit. „Why Have There Been No Great Women Artists?“ fragte die Kunsthistorikerin Linda Nochlin 1971 – eine ironisch provozierende Frage, deren Antwort nur die Dekonstruktion des männlichen Geniekults sein konnte.
Die Suche nach großartigen Künstlerinnen verfolgt die Kunstwelt hingegen bis heute und erlebt in den letzten Jahren sogar einen Boom. Fast 50 Jahre nach Nochlins Essay erschien die Publikation „Great Women Artists“ (London, 2019), ein Bildband mit 400 Künstlerinnen, herausgegeben von Rebecca Morrill. 2019 strömten 600.000 Menschen in die Ausstellung „Hilma af Klint: Paintings for the Future“ im Guggenheim New York und bescherten dem Museum einen Besucher*innenrekord. Die 1944 verstorbene Künstlerin wird als neue Erfinderin der abstrakten Malerei gefeiert und gesellt sich im Pantheon der Kunstgeschichte langsam aber sicher an die Seite von Wassily Kandinsky.
Im Seminar wollen wir pro Sitzung eine weibliche Position der Kunstgeschichte genauer kennenlernen und dabei reflektieren, wie die Künstlerin Einzug in den Kanon erhalten hat oder wie die Forschung gerade dabei ist, sie dort zu positionieren bzw. neu zu verorten. Die Analyse der künstlerischen Werke wird dabei ebenso im Vordergrund stehen wie die kritische Lektüre biografischer Aufarbeitungen. Werden hier unter Umständen doch wieder Strategien der patriarchalen Kunstgeschichte reproduziert oder wird durch die Wiederentdeckung bereits eine andere, weibliche Kunstgeschichte möglich?
Mit den Künstlerinnen Alice Neel, Rosa Bonheur, Hilma af Klint, Artemesia Gentileschi, Betye Saar, Élisabeth Vigée-Lebrun, Rosemary Mayer und Leonore Carrington bewegen wir uns frei durch unterschiedliche Epochen und untersuchen mehr und weniger etablierte Positionen.
Als Auftakt für das Seminar soll in der Einführungswoche eine Exkursion zur Ausstellung „FEMME FATALE. Blick – Macht – Gender“, die in der Hamburger Kunsthalle zu sehen ist, stattfinden. Der Besuch dient als Einstieg in das Diskursfeld der feministischen Kunst und als Möglichkeit, ein Spektrum von Werken weiblicher Künstlerinnen im Original kennenzulernen.
Literatur und Vorbereitungsempfehlung / Literature and recommendation on preparation
FEMME FATALE
Blick – Macht – Gender
https://www.hamburger-kunsthalle.de/ausstellungen/femme-fatale
Michael Hatt, Charlotte Klonk: „Feminism“, in: Art History. A critical introduction to its methods. Manchester University Press, 2006, 2019, S. 145-173.
Rebecca Morrill (Hg.): Great Women Artists. London 2019.
Linda Nochlin: Women, art, and power and other essays. New York 2018.
Name der Lehrenden / Name of Teacher
Charlotte Silbermann, M.A.
Veranstaltungsart und -methodik / Teaching and working methods
Seminar
Lernziel, Qualifikationsziele / Objectives, Learning Outcome
- Einführung in kunstwissenschaftliche Methoden und Epochen
- feministische Kunstgeschichte
- Reflexion eines gesellschaftlichen und politischen Diskursfeldes
- Erweiterung des eigenen methodischen Spektrums
Verwendbarkeit / Applicability
Kunstgeschichte (Diplom Kunst); Kunstgeschichte I oder II (Lehramt); MA Kunstwissenschaften: Modul 1 (Methoden), Modul 2 (Theorien und Diskurse).
Beurteilung / Assessment
Teilnahme (T), Hausarbeit (H), Studierende Kunst (Lehramt): Teilmodulleistung (unbenotete Präsentation) oder/und Modulprüfung Kunstgeschichte I (Präsentation und benotete schriftliche Hausarbeit); mündliche Prüfung insbesondere für Lehramt, Kunstgeschichte II
Zugangsvoraussetzung / Prerequisites
keine
Umfang in SWS / Semester periods per week
2 SWS
Häufigkeit, Dauer und Termine, Ort des Angebots / Appointed time and location
Dienstag, 14.15 -15:45 Uhr in den Normalwochen
Beginn: 28.03.2023 (Einführungswoche) Exkursion in die Hamburger Kunsthalle, 14.00-17.00 Uhr;
Ort: Hörsaal 008, Campus Neuwerk 7
Anmeldung unter
silbermann@burg-halle.de