Bildhauerische Praxis | Julia Miorin | Klasse Stella Geppert | Freitag 10.00 – 12.15 Uhr

 

Wo kommt ein Material her, wie wird es produziert, aus was setzt es sich zusammen, welchen Widerstand hat es? Ist es kalt, warm, anschmiegsam, spitz, scharfkantig, durchsichtig, opak, matschig, glitschig, pelzig? Was kann man damit machen? Auf welche Weisen lässt es sich bearbeiten? Welche Bedeutung liegt im Haptischen? Welche Stories bringt ein Werkstoff mit sich? Was meint eigentlich Konsistenz?

In ihrem Lexikon des künstlerischen Materials hat Monika Wagner gemeinsam mit weiteren Autor*innen den Versuch unternommen, die Eigenschaften, Bedeutungszuschreibungen und Verwendungsgeschichten von 50 künstlerischen Materialien aufzuarbeiten und sich so einem Bedeutungsspektrum anzunähern, das über die bloße, antiquierte „Forderung nach materialgerechter Form“ in der Kunst hinausgeht und sich auch jenen Materialien zuwendet, „die Künstler[*innen] heute als Medien mit eigener semantischer Qualität nutzen.“

Im Seminar werden wir in diesem Sinne den Fokus auf das Material legen. Dabei beschränken wir uns nicht auf klassische bildhauerische Werkstoffe (können wir aber auch). Die Studierenden sind angehalten vor und während des Seminars ihr alltägliches Umfeld nach Materialien zu erkunden und aufzuspüren, was alles Material für die künstlerische Arbeit sein kann. Ob im Kühl- oder Badschrank, in der Natur, auf dem Schrottplatz. Ob Zahnpasta, Tannennadeln oder Allzweckgummis. Wir wollen die ausgewählten Materialien untersuchen, verstehen, bearbeiten, ausreizen, verwandeln, kombinieren und kontrastieren. Das Material kann Thema werden oder Diener bleiben. 

Wichtig ist dabei der Begriff der Konsistenz. Er verweist auf das “Innere” des Materials, sein Verhalten, seine Textur und Beschaffenheit, darauf, wie sich etwas anfühlt, wie es liegt, steht, fällt, tropft, nachgibt oder riecht. Aber auch, wie wir mit dem Material in Verbindung treten. Auch aus der Perspektive des eigenen Körpers. Aus diesen Beobachtungen von Materie und ihren Eigenschaften, auf der Basis des Einfühlens in Material, entstehen ganz automatisch bildhauerische Fragestellungen, nicht nur nach Formgebung und Verarbeitung.

Zur ersten Sitzung bringt jede/r Teilnehmer*in zwei Materialien mit. Menge nach eigenem Ermessen. Ein ungewöhnliches und ein gewöhnliches. Dass das subjektiv ist, ist klar. Die beiden Materialien können, müssen aber nichts miteinander zu tun haben. Wir beginnen also mit einem Treffen in der Gruppe und haben bestenfalls schon zu Beginn eine ganz eigene oder gar eigenartige Sammlung an Stofflichkeiten auf dem Tisch.
Ebenso geplant ist ein gegenseitiges Vorstellen von Künstler*innen-Positionen zur Thematik. Das Seminar begleitet und bietet Anregung, Unterstützung und Kritik durch Austausch, praktische Tipps, Präsentation und Diskussion.

Lernziele/ Qualifikationsziele / Lehrinhalt

Ziel ist für jede/n Teilnehmer*in die Entwicklung einer intensiven bildhauerischen Auseinandersetzung anhand eines oder mehreren selbst gewählten Materialien, deren Bedeutungs- und Möglichkeitsspektrum mitgedacht wird. Es lehrt anhand der individuellen Praxis den bildhauerischen Umgang mit Material, dessen Situierung im Raum, Überlegungen zu installativen Strategien und eröffnet bildhauerische Fragestellungen. Eine Präsentation der entstandenen Arbeiten, ein Übersichts-PDF und ein kurzer Text zum Ende des Semesters sind verpflichtend für die Scheinvergabe.

Veranstaltungsart und -methodik

Künstlerischer Gruppenunterricht, Arbeiten im Atelier

Verwendbarkeit des Faches

Kunst (Lehramt): Atelier I (Teilmodul A oder B), Atelier II oder Prüfungsmodul Atelier III

Kunstpädagogik: Atelier I, II oder III.

Zugangsvoraussetzung

Für Studierende der kunstpädagogischen Studiengänge und Gäste

Umfang in SWS

3 SWS

Häufigkeit, Dauer und Termin / Ort des Angebots

Freitags, 10 - 12.15 Uhr zur Besprechung der Arbeiten in der Gruppe im Hermes, 4.OG und digitale Einzelbesprechungen nach Bedarf und freies Arbeiten im zweiwöchentlichen Wechsel

Maximale TeilnehmerInnenzahl

10

Anmeldung

Anmeldung bereits abgeschlossen.

Empfohlene Literatur:

  • Wagner, Monika/Rübel, Dietmar/Hackenschmidt, Sebastian (Hrsg.), Lexikon des künstlerischen Materials, München 2002
     
  • Titz, Susanne u. Krümmel, Clemens (Hrsg.): “Anti-Form” in: “Robert Morris, Bemerkungen zur Skulptur, Zwölf Texte”, Zürich 2010, S. 55fff
     
  • Richard Serra: “Verblist” von 1967/68 https://www.moma.org/collection/works/152793
     
  • Larissa Kikol: „Karla Black. Ein Gemälde ist traditionell ein Fenster in eine andere Welt: Es führt einen woanders hin.
 Ein Gespräch von Larissa Kikol“, in: Kunstforum Band 272 „This is Not a Love Song“, S. 184-195
     
  • 

Ströbele, Ursula: „Zeit-Skulpturen“, in: Kunstforum Band 229 „Grenzenlose Skulptur“, S.2016-223, 2014, bzw. www.kunstforum.de, Zugriff am 16.01.21