Leere Stellen. Wer nach der Geschichte der BURG in der Zeit des Nationalsozialismus fragt, stößt unweigerlich auf leere Stellen. Und dies im mehrfachen Wortsinn: Auf die Stellen derjenigen, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialist*innen entlassen wurden und deren fachspezifische Kompetenzen in der „Meisterschule des Deutschen Handwerks“ nicht mehr benötigt wurden. Auf Lücken der Überlieferung im burgeigenen Archiv. Auf fehlende Einträge, wie beispielsweise in unserer Burg-Enzyklopädie. Zwischen „Nanoparticles“ und „Natur der Hypothese“ fehlt „Nationalsozialismus und Burg“. Leere Stellen, die als solche erkannt werden, wollen befragt werden.

Im Nationalsozialismus wurde die BURG von einer reformierten „Staatlich-Städtischen Kunstgewerbeschule“ zu einer „Meisterschule des Deutschen Handwerks“. In der Sprache der Zeit liest sich dies so: „Rückgliederung des Fachschulwesens in geordnete Bahnen und Dienstbarmachung der Schulen dem bodenständigen Handwerk“. Was bedeutet das?

Welche Rolle spielte diese Lehr- und Produktionsstätte des Kunsthandwerks, inwiefern genügten Akteur*innen und Werke den sich wandelnden ästhetischen Normen der NS-Kulturpolitik?
Konnten neben den offiziell anerkannten auch andere künstlerische Positionen weiter bestehen? Wie konnte aus Halle, mit einer den Bauhaus-Ideen nahestehenden Kunstgewerbeschule und einem Museum, in dem die klassische Moderne prominent vertreten war, eine Stadt der nationalsozialistischen Bewegung werden? Wie und unter welchen Vorannahmen verlief die bisherige Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte der BURG?

Im Seminar werden wir uns anhand von Objekten aus der Sammlung der Hochschule und unterschiedlichen Dokumenten (wie z.B. einem Pressespiegel) dem Profil der Hochschule annähern. Jeden Tag wird ein anderer Schwerpunkt gesetzt. Es soll um die pädagogischen Konzepte, die das Verhältnis von „Meistern“ und „Schülern“ prägten, gehen. Wie werden diese sichtbar? Welche Rolle spielte die Lehre im Zusammenhang mit künstlerischer Produktion, aber auch mit den pädagogischen Leitbildern der Zeit? Wir werden der Frage nachgehen, ob es „gute“ und „böse“ Dinge geben kann, d.h., ob man der Form eines kunstgewerblichen Objekts oder einer Architektur ansieht, dass es einer „völkischen“ Ideologie entspricht, oder nicht. In dem Zusammenhang werden wir uns auch mit der Ikonographie des Nationalsozialismus befassen und uns die Produktion des damaligen Rektors der BURG, Hermann Schiebel, ansehen. Formen des „Wohnens“ sollen behandelt und Interieurs verglichen werden – wie sie in der „guten Stube“ (Ernst Bloch) des „Deutschen Hauses“ 1937 oder in der Weißenhofsiedlung 1927 ausgestellt waren. Was heißt hier „gemütlich“, „bodenständig“, „handwerklich“? Und schließlich soll es auch um Kontinuitäten und Brüche der Nachkriegszeit gehen, darum, welche Neuausrichtungen und personellen wie ästhetischen Fortführungen die Kunsthochschule und die Kunst in Deutschland insgesamt prägten.

Das Seminar versteht sich als Forschungsplattform. Wir Lehrenden haben nur einen leichten Wissensvorsprung. Der erste Tag dient der gemeinsamen Orientierung und dem Herauslösen von Fragestellungen. An den folgenden Tagen wollen wir uns vormittags anhand von Texten, Objekten und Bildmaterial den Schwerpunktthemen nähern, nachmittags bleibt Zeit für eigene und vertiefende Recherchen. Für den frühen Abend laden wir externe Fachleute ein, mit denen wir diskutieren können: u.a. Renate Luckner-Bien, Katja Schneider, Olaf Peters, Andreas Hüneke und Bernhard Fulda.

Zur Vor- und Nachbereitung wird den Teilnehmer*innen des Seminars Literatur in der Burg Box bereit gestellt.

WICHTIG: Vorbesprechung Montag, 1. November, 12.00-13.00 Uhr - digital
Der Link wird an die angemeldeten Teilnehmer*innen per Mail verschickt.

 


Name der Lehrenden / Name of Teacher
Nike Bätzner, Veronica Biermann, Christina Brinkmann, Sara Burkhardt

Lernziel, Qualifikationsziele / Objectives, Learning Outcome

  • Fähigkeit, künstlerische Arbeiten auf der Grundlage eigener Recherchen selbstständig zu beschreiben, zu analysieren und zu interpretieren
  • Kennenlernen von Modellen der Geschichtsbildung von Kunst und Kultur
  • Diskursive und kontextuelle Verortung dieser Modelle, Kritik von Narrationskonzepten
  • Vertiefung von Kompetenzen der Recherche und Quellenkritik
  • Übung und Förderung reflektierender und bestimmender Urteilskraft, der Dialogfähigkeit und der Diskursfestigkeit
  • vertiefte Fähigkeiten zur theoretischen Einbettung pädagogischer Positionen in bezugswissenschaftliche und gesellschaftliche Kontexte


Veranstaltungsart und -methodik / Teaching and working methods 
Seminar

Beurteilung / Assessment 
Kunst (Lehramt):Teilmodulleistung (unbenotete Präsentation) oder/und Modulprüfung (unbenotete Präsentation + mündliche Prüfung) ; Kunstpädagogik (Diplom): Kunstgeschichte (unbenotete Präsentation+schriftliche Hausarbeit) oder Kunstpädagogik (unbenotete Präsentation); Design- und Architekturgeschichte (unbenotete Präsentation); MA Kunstwissenschaften: Teilmodulleistung (unbenotete Präsentation) oder/und Modulprüfung (Präsentation + benotete schriftliche Hausarbeit); MA Design Studies: Vertiefungsmodul (Präsentation + benotete schriftliche Hausarbeit); BA Design: Aufbaumodul (benotete Präsentation)

Literatur und Vorbereitungsempfehlung  / Literature and recommendation on preparation
siehe Burg Box

Verwendbarkeit / Applicability
Kunst: Kunstgeschichte; Kunst (Lehramt): Kunstgeschichte 2 oder WP Kunstwissenschaften oder Fachdidaktik 3; Kunstpädagogik: Kunstgeschichte, oder Didaktik oder Design- und Architekturgeschichte; MA Kunstwissenschaften: Modul 2 (Theorien und Diskurse) oder Modul 3 (Reflexive Praktiken) oder Modul 7 (Vertiefende Formate); MA Design Studies (Vertiefungsmodul); BA (Aufbaumodul / Wahlpflicht)

Zugangsvoraussetzung / Prerequisites 
Keine

Umfang in SWS / Semester periods per week
2 (als Blockseminar)

Häufigkeit, Dauer und Termin, Ort des Angebots / Appointed time and location
1. November (digital), 12:00-13:00; 15. – 19. November 2021, jeweils 10:00 bis 19:00 (mit Pausen)
Seminarraum Bibliothek, Neuwerk 7