Wahrnehmung und Kognition werden spätestens seit den 1950er Jahren oft als Informationsverarbeitung verstanden. Bewegung ist hier eher eine Folge der Verarbeitung – eine Art Output. Dagegen betonen philosophische, psychologische und kognitionswissenschaftliche Ansätze der Verkörperung (Embodiment), der Situiertheit (Embeddedness), des Enaktivismus (Enactivism) oder der Erweiterung (Extension) die Rolle des Körpers, seiner Einbettung in eine strukturierte Umwelt sowie biologischer Bedürfnisse für Wahrnehmung und Kognition. Demnach kann Bewegung als Teil der Wahrnehmung verstanden werden und Interaktionsmuster „verkörpertes“ Wissen schaffen, wie wenn wir unsere Finger bewegen, um zu zählen. Wenn wir mit Artefakten umgehen, nutzen wir die Welt als Gerüst und Ressource, anstatt sie abzubilden. Wir lagern kognitive Prozesse aus (indem wir etwa einen Rechenschieber nutzen), erweitern und begrenzen unseren körperlichen und damit auch kognitiven Spielraum. So wird Design zu einer Interaktions-prägenden Struktur.

Enaktivistische Ansätze verstehen Wissen nicht als Set aus Regeln und Annahmen; vielmehr ereigne es sich situiert in Abhängigkeit von aktuellem Handeln und der Geschichte bisherigen Handelns (auch des Handelns unserer Vorfahren). Daraus ergibt sich die spannende Frage, ob Kognition in jedem Fall körperliche, in die Umwelt eingebettete Interaktion einschließt oder auch „offline“ arbeitet, bspw., wenn wir planen oder träumen. Hier sind insbesondere Situationen interessant, in denen sich die Bedeutung von Objekten und Handlungen durch Interaktion wandelt – wie im Als-Ob-Spiel oder wenn Gestaltung Mehrdeutigkeit zulässt.

Wir eignen uns über Lektüre und Diskussion Theorien der verkörperten, situierten, enaktiven und erweiterten Kognition an und prüfen anhand konkreter selbst gewählter Beispiele ihre Relevanz für unsere Sicht auf Design. Dieser Kurs ist als Vertiefungsseminar für MA-Studierende (Design Studies) angelegt, kann bei Interesse aber auch gerne von BA-Studierenden als Aufbaumodul belegt werden.

 

Literaturempfehlungen

  • Clark, A. (2011). Supersizing the mind. New York: Oxford University Press.
  • Fingerhut, J., Hufendiek, R. & Wild, M. (2021). Philosophie der Verkörperung. Grundlagentexte zu einer aktuellen Debatte (3. Auflage). Berlin: Suhrkamp.
  • Malafouris, L. (2013). How things shape the mind. A Theory of Material Engagement. Cambridge, London: The MIT Press.
  • Noë, A. (2015). Strange tools: Art and human nature. New York: Hill and Wang.
  • Norman, D. A. (1999). Affordance, conventions, and design. Interactions, 6(3), 38–43. doi: 10.1145/301153.301168
  • Stewart, J., Gapenne, O. & Di Paolo, E. A. (2010). Enaction: toward a new paradigm for cognitive science. Cambridge, London: The MIT Press.
  • Varela, F. J. (1990). Kognitionswissenschaft Kognitionstechnik. Eine Skizze aktueller Perspektiven. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Textauszüge und weitere Literatur werden während des Kurses bereitgestellt.