Europa und Asien sind als einzige Kontinente auf dem Landweg verbunden. Dadurch war der Kulturtransfer hier schon immer intensiv. Das Seminar will den Blick von der Westkunst gen Osten weiten.
Den einen Pol bildet der Orientalismus (Edward Said, 1978). Ausgehend von den europäischen Adaptionen der „exotischen“ und faszinierenden Kulturen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert werden wir uns mit den Bildern vom Orient, welche die westliche Wissenschaft und Kunst hervorgebracht haben, auseinandersetzen. Projektionen von Gewalt (muslimische Krieger) und Sexualität (die verführerische Orientalin und die „Hure Babylon“) sind dabei immer wieder aufgerufene Leitlinien.
Der zweite Pol wird markiert durch den Okzidentalismus. Zum einen ist darunter der „Hass auf den Westen“ (Buruma, Margalit, 2004) und damit eine antiwestliche Projektion zu verstehen. Der „Westen“ wird hier (ebenso wie im Orientalismus der „Osten“) als homogenes Gebilde angesehen. Charakterisiert durch Kapitalismus, Atheismus und Liberalismus hat die „verderbliche Verwestlichung“ als Hintergrund aber zum anderen auch eine Orientierung an der westlichen „Moderne“ und speist sich u.a. aus einer Kritik am westlich definierten Fortschrittsbegriff, die nicht nur vom „Osten“ ausgeht.
Derzeit lässt die erstarkende bipolare Weltordnung des „Kalten Krieges“ wieder die Blöcke aufeinanderstoßen. Und in Zusammenhang mit den Migrationsbewegungen geht es, trotz aller „Aufklärung“ und Globalisierung, nach wie vor um Konstruktionen des „Fremden“ und des „orientalischen“ oder „okzidentalen“ „Anderen“. So sollen im Seminar u.a. die Thesen von Edward Said diskutiert und darauf aufbauend auch die Frage erörtert werden, ob sich das europäische Selbstverständnis erst in Abgrenzung zum „Orient“ definieren konnte und kann. Im Umkehrschluss wird es um die Thesen von Buruma/Margalit gehen, darum, mit welchen Motiven der Okzidentalismus Feindbilder kultiviert (auch hier taucht die „Babylonische Hure“ auf) und ob, oder inwiefern, der „Westen“ selbst an seiner Dekonstruktion beteiligt ist.
Wir werden diese Polarisierung zudem in Kunstwerken aufspüren und dabei historische Positionen (Gérôme, Liotard u.a.) ebenso einbeziehen wie aktuelle, die eine kritische oder interkulturelle Perspektive entwickelt haben (Ilkin, Neshat, Sarkis, Altindere, Aladağ, Beuys, Hatoum, Shawky, Pirosmani u.a.). Mode oder Musik könnten ebenfalls in den Blick genommen werden.
Einführende Literatur:
Said, Edward M.: Orientalism, 1978. Neuausgabe Frankfurt/M 2019.
Buruma, Ian; Margalit, Avishai: Okzidentalismus. Der Westen in den Augen seiner Feinde. München/Wien 2004.
Ina Kerner: Postkoloniale Theorien zur Einführung. Hamburg 2012.
Europa und der Orient, 800 – 1900, Kat. Festival der Weltkulturen, Martin-Gropius-Bau Berlin. Gütersloh 1989.
Name der Lehrenden / Name of Teacher
Prof. Dr. Nike Bätzner
Veranstaltungsart und -methodik / Teaching and working methods
Seminar
Lernziele, Qualifikationsziele / Objectives, Learning Outcome
- vertieftes Verständnis von kunsthistorische Epochen
- Verständnis für disziplinäre und transdisziplinäre Theorien und Methoden
- Einführung in postkoloniale Theorien und interkulturelle Modelle
- Erarbeitung theoretischer und diskursiver Zugänge zu Texten und Bildern
- Reflexion eines kulturhistorischen und gesellschaftlichen Diskursfeldes
Verwendbarkeit / Applicability
Kunstgeschichte (Diplom Kunst); Kunstgeschichte I oder II (Lehramt); MA Kunstwissenschaften: Modul 1 (Methoden), Modul 2 (Theorien und Diskurse).
Beurteilung / Assessment
Teilnahme (T), Hausarbeit (H), Studierende Kunst (Lehramt): Teilmodulleistung (unbenotete Präsentation) oder/und Modulprüfung Kunstgeschichte I (Präsentation und benotete schriftliche Hausarbeit); mündliche Prüfung insbesondere für Lehramt, Kunstgeschichte II
Zugangsvoraussetzung / Prerequisites
keine
Umfang in SWS / Semester periods per week
2 SWS
Häufigkeit, Dauer und Termine, Ort des Angebots / Appointed time and location
Montag, 16:15 -17:45 Uhr in den Normalwochen
Beginn: 3. April 2023
Ort: Seminarraum in der Bibliothek, Campus Neuwerk 7
Anmeldung unter
baetzner@burg-halle.de