Der im Jahre 2000 durch den Chemiker Paul Crutzen popularisierte Begriff „Anthropozän“ soll zum Ausdruck bringen, dass der Einfluss des Menschen auf die Erde groß genug ist, um eine neue erdgeschichtliche Epoche zu begründen. Seither überprüfen Wissenschaftler*innen, ob dieses „Zeitalter des Menschen“ die legitime Nachfolge des Holozäns antreten kann und, falls ja, wann es begonnen haben könnte. Das Anthropopzän ist also ein noch zu formalisierender Begriff, taugt aber bereits jetzt als Beschreibung eines sehr kurzen Abschnitts der jüngsten Kulturgeschichte, die mit der massiven Nutzung von Kohlenwasserstoffverbindungen begann – zunächst als Energieträger, um Maschinen anzutreiben, später um Dünger, Munition, Kosmetik und unzählige Produkte aus Kunststoff herzustellen. Mit der Nutzung fossiler Energieträger gingen weltweit technische, gesellschaftliche und politischen Transformationen einher. Die Kolonialisierung der Natur veränderte ganze Weltregionen, Staaten und Landstriche für immer. Neben der Kohle steht vor allem Erdöl für Überfluss und Mobilität und zugleich für Krieg und Ausbeutung. Die mit der breiten Nutzung von Öl einsetzende „Petromoderne“ (vgl. Klose/Steinigner 2020) führte zu einer Beschleunigung und Veränderung all unserer Wahrnehmungs- und Handlungszusammenhänge. Öl war die Basis des Wohlstands der westlichen Industriestaaten, des Aufstiegs der USA und Russlands, des Reichtums Saudi-Arabiens und führte zu einem massiven Neo-Extraktivismus in Ländern Lateinamerikas, wie beispielsweise in Venzuela, und auf dem afrikanischen Kontinent wie in Nigeria.

Heute stehen wir wieder vor einem Umbruch. Das Zeitalter fossiler Brenn- und Rohstoffe neigt sich vielleicht schon bald dem Ende zu, und wir müssen Alternativen zur petromodernen Fortschritts- und Wachstumsillusion entwickeln. Grund sind schwindende Ressourcen aber vor allem der menschengemachte Klimawandel, ausgelöst durch einen massiven Anstieg des CO2-Austosses seit der Industrialisierung. Nur durch eine Begrenzung des Verbrauchs von Kohle, Öl und Gas kann das schlimmste vielleicht noch verhindert werden, auch wenn es für die Einhaltung des kritischen 1,5-Grad-Zieles längst zu spät sein dürfte. Das Ende der Petrokultur scheint unausweichlich. Doch was kommt nach der Petromoderne? Wie kann der Umbau der Industrie sozialverträglich gelingen? Können wir überhaupt ohne fossile Energieträger und Rohstoffe leben?

Die Veranstaltung ist eine Gemeinschaftsproduktion des Lehrgebiets Designtheorie der Burg Giebichenstein Kunsthochschule (Prof. Pablo Abend) und der Forschungsgruppe „Digitale Geographie“ am Institut für Geowissenschaften und Geographie der Martin-Luther-Universität (Prof. Boris Michel). Es können Studierende beider Hochschulen teilnehmen.

Empfohlene Literatur zur Einführung

Klose, Alexander; Steininger, Benjamin (2020): Erdöl. Ein Atlas der Petromoderne. Erste Auflage. Berlin: Matthes & Seitz.