Landschaftsgärten repräsentieren ganze Weltbilder. Der Garten in Wörlitz (Baubeginn 1769) vereint auf kleiner Fläche einen Vulkan, ein Labyrinth, eine „Südsee“-Sammlung, Pavillons und Brücken die Technik- und Architekturgeschichte widerspiegeln sowie ein komplexes Skulpturen- und Wegprogramm mit zahlreichen erotischen Hinweise für eingeweihte Betrachtende. Eine Synagoge wurde als Zeichen liberaler Weltoffenheit errichtet. Techniken der Pflanzenzucht sollten getestet und an die Bevölkerung vermittelt werden.
Mit dieser Sammlung und Ausstellung ist der Landschaftsgarten Ansatzpunkt für Beobachtungen für verschiedene aktuelle Fragestellungen. Mögliche sind:
Wahrnehmungen: Wie funktioniert ein Park als räumliches Bild und wie wirken die Wegdramaturgien bis in die heutige Zeit nach, im Park, als Spaziergangswissenschaft oder auch in Computerspielen. Und was ist eine Landschaft?
Ökologie: Wie kann der Park auch als ökologisches Konzept gelesen werden?
Ansätze der more-than-human-studies / plant studies – Pflanzenzucht, Küchengarten, Geologie (Feuer und Wasser), Tiere im Park ... Welche Bedeutung hat Wachstum und Temporalität für die Planung?
(postkoloniales) Erbe: Wie wurde das Framing für das UNESCO-Welterbe vorgenommen? Welche Ideen mit globaler Bedeutung werden hier repräsentiert, wie der Humanismus? Wie aktuell ist noch die Idee der Welt als ganzheitlichen Sammlung in einer diversen Gesellschaft? Was macht die „Südsee“ in Anhalt?
Hintergrund: Der Wörlitzer Park ist seit dem Jahr 2000 auf der Liste des UNESCO-Welterbes erfasst. Er gilt als einer der ersten deutschen Parks nach dem Vorbild des englischen Landschaftsgartens, 1765 gegründet von Friedrich-Leopold III von Anhalt-Dessau. Als Gesamtkunstwerk sollten seine Gebäude und vor allem die 17 Brücken dem Publikum die neuesten Bildungsideale und technischen Errungenschaften der Welt vermitteln – wenn auch historisch bedingt aus einer eurozentrischen Sichtweise. Pittoreske, malerische Gartenbilder und Architekturen verschiedener Stile, aber auch Obstanbau, Landwirtschaft und Viehzucht wurden im Rahmen eines ganzheitlichen und ästhetischen Bildungsprogramms im Park ausgestellt.
Im Seminar werden die verschiedenen Komponenten der Anlage analysiert, wie die Landschaftsbilder, das Schloss, das Gotischen Haus, die Insel „Stein“ mit dem ersten künstlichen Vulkan Europas und eine Synagoge. Übungen umfassen Techniken zur Architekturbeschreibung, zum Formulieren wissenschaftlicher Texte und Quellenanalyse.
Der „Park“ soll schließlich auf theoretischer Ebene als Modell einer Wissensvermittlung im Sinne der Aufklärung kritisch untersucht werden. Der Status als Weltkulturerbe der UNESCO bietet schließlich den Ansatzpunkt zu fragen, welche Kriterien für ein Welterbe bestehen und welche gemeinsamen kulturellen Werte ihm zu Grunde liegen, insbesondere, wenn der Park als gebautes Weltbild verstanden wird, insbesondere aus postkolonialer Perspektive. Auch in Hinblick auf den Klimawandel und die Wasserknappheit stellen sich Fragen zur Erhaltung. Auch die Sprengung der Schornsteine des Kraftwerks Vockerode warf Diskussionen aus, inwiefern industrielle Bauten nachfolgender Generationen das Landschaftsbild beeinflussen dürfen.
Literatur wird im Semesterapparat und online zur Verfügung gestellt.
Seminarleistungen sind für die benotete Teilnahme Kurztexte und Kurzpräsentationen zum Semesterabschluss (2 ECTS, BA/MA); bzw. Kurzpräsentation und Hausarbeit (6 ECTS, Leistungsnachweis, MA Design Studies).