(abgeschlossen im SS19)
Was haben Geschlecht und Geschlechterverhältnisse mit Macht, Hierarchisierungen und Ungleichheiten zu tun? Wie werden Geschlechterdifferenzen hergestellt? Was bedeutet es – in einer bestimmten Gesellschaft, zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt – als Frau oder Mann zu leben? Welche alternativen Positionierungen und Identitäten sind wann, wo und wie denk- und lebbar? Und auf welche Weise lässt sich Geschlecht als soziale Wirklichkeit untersuchen?
Die Geschlechterforschung als feministisch-kritische Wissenschaft stellt mit Fragen wie diesen die Kategorie Geschlecht ins Zentrum ihrer Analysen. Aber was heißt das für Gestalter*innen? Für diejenigen also, die die materielle Beschaffenheit unserer Gesellschaft, kreieren, formen und inszenieren, sei es in Form von Gebrauchsgegenständen, Gehwegen, Sitzmöbeln, Plakaten, Spielzeugen oder anderen ästhetischen Gebilden?
Wir gehen im Seminar von der Grundannahme aus, dass Objekte stets in ihrer komplexen Beziehung zu Menschen zu verstehen sind. Gegenständliche Dinge können Träger von Wertungen, Bedeutungen und Erinnerungen sein, zugleich sind sie nicht selten Bestandteile oder Produkte kultureller Praxen, denen soziale Ordnungen eingeschrieben sind. Sie sind in unsere kulturelle Textur eingewoben und enthalten Aussagen darüber, wie vergangene und gegenwärtige Lebenswelten strukturiert sind. Auch die Ordnung der Geschlechter prägt sich zu einem nicht geringen Teil in gegenständlichen Dingen aus. Betrachtet man die Welt der Objekte als einen Ort von Zeichen, Distinktionen und Kommunikationswegen, so eröffnet sich der Blick auf ihre Rolle bei der Konstitution von Geschlechterordnungen in sozialen Interaktionen und der gesellschaftlichen Wirklichkeit.
Das Seminar wagt daher einen Spagat: Zum einen wird es einen ersten Einblick in Geschichte, Spannungsfeld und Methodenvielfalt der Frauenforschung, feministischen Wissenschaft(-skritik) und Gender Studies geben. Die Studierenden sollen ermutigt werden, ihr Begriffsinstrumentarium zu erweitern und den bestehenden diesbezüglichen Kanon kennenlernen und kritisch zu befragen. Die Lehrveranstaltung gibt dabei einen wissenschaftshistorischen Überblick, präsentiert eine Auswahl zentraler Begriffe, Kategorien, Theorien und Methoden der Frauen- und Genderforschung und stellt mögliche Anwendungsgebiete vor. Zum anderen wird es darum gehen, die Interdisziplinarität der Gender Studies mit ihren vielfältigen methodischen und inhaltlichen Ansätzen als Grundlage für eine produktive Auseinandersetzung mit Bildfunktionen, Repräsentationsbegriffen, Identitätskonstruktionen, mit Materialkunde und Objektgestaltung, zu erkunden. Ziel ist es, über Einblicke in die grundlegenden Ansätze der Geschlechterforschung und der feministischen Wissenschaft Bezüge zur Designforschung und -praxis sichtbar und anwendbar werden zu lassen. Die Studierenden sollen damit Anknüpfungspunkte für die eigene künstlerische und gestalterische Praxis erhalten.
Als zentrale Themen und Begriffspaare werden hierbei u.a. behandelt:
Raum und Öffentlichkeit/Privatheit
Verhältnis Mensch/Maschine/Natur
Körper und Konstruktion/Materialität
Neutralität und Normalität
Geschlechtsspezifische Sozialisation
Darüber hinaus werden wir Methoden wie dem „Gender Marketing“ und dem „gendersensibles Design“ auf den Grund gehen. Zugleich soll die Frage gestellt werden, wie sich Geschlechterordnungen mit den Mitteln der Gestaltung auch angreifen und irritieren lassen. Auf welchem Weg können feministische Forderungen in Design und Kunst „dinglich“ werden?
Die inhaltliche Auseinandersetzung und gemeinsame Diskussion soll in Arbeitsgruppen und im Plenum mittels verschiedener methodischer Zugänge (Sekundär- und Primärliteratur, Filme, künstlerische Arbeiten) erfolgen.