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Examen/ Klasse Prof. Stella Geppert/ Studiengang Kunst Lehramt/ Wintersemester 2015/16 / Präsentation am 22.01.2016,

funde.

Aufgrund meines Hintergrundes als Tänzerin, haben mich Bewegungen und der Körper als Bezugsnorm für mein künstlerisches Schaffen seit langem interessiert.  

notation I.

Es ist ein Prozess, an dessen vorläufigem Ende heute die Erkenntnis steht, dass „Tanz“ viel mehr ist, als ich zu Beginn meines Studiums dachte. Der Begriff der „Tänzerin“ hat eine weitere Bedeutung bekommen. Sie ist mittlerweile nicht mehr nur jemand, der sich nach Musik anmutig bewegt – sie ist jemand, der mit dem Körper denkt, deren Bewegungen Gedanken sind, die sich durch sie gleichzeitig denkt und ausdrückt. Sie ist ihr eigenes Medium und indem sie Bewegung analysiert, rhythmisiert, formalisiert und ihnen Gedanken und Gefühle einschreibt, erschafft sie ein Kunstwerk. Mit ihren Bewegungen bringt sie sich selbst in einen ständig sich verändernden Bezug zu dem Raum, der sie umgibt. Indem sie sich bewegt, hinterlässt sie Spuren – im Raum und auf der Netzhaut und dem Gedächtnis der Betrachtenden. Sie schreibt ihre Bewegungen in den Raum ein – erstellt eine Notation die sogleich wieder vergeht und trotzdem weiter fortbesteht (als Fußabdruck auf dem Boden oder in der Erinnerung).

Die Verbindung der Thematiken Bewegung und Abstraktion führte mich zu der Beschäftigung mit Kalligrafie und der Frage, wie sich unsere Art zu schreiben und die Bewegungen, die damit verbunden sind, in der digitalen Welt verändert haben. Daraus entstanden, zunächst in kleineren Formaten, Schriftzeichen, die gleichzeitig Bewegungsnotationen des Daumens auf der Oberfläche eines Smartphone Bildschirmes darstellten(smart movement). Doch die kleine, auf meine Hände reduzierte Bewegung schränkte meinen Bewegungsdrang ein. Die Zeichen wurden daher nach und nach größer – wodurch sie jedoch den Bezug zu ihrem Ursprung, der Bewegung auf dem kleinen Bildschirm, verloren.

Da ich in diesem Thema anfing mich im Kreis zu drehen, versuchte ich einen anderen Ausweg zu finden – wieder mittels Reduktion und Abstraktion. Ich fing in dieser Zeit an, mich stärker mit der Theorie der Performance und des zeitgenössischen Tanzes zu beschäftigen. Auch wenn mich die Idee des Zeichens noch immer faszinierte, tauchten sie nun nicht mehr explizit auf – stattdessen  beschäftigte ich mich direkt mit dem Trägermaterial des Schriftzeichens – dem Papier. Ausgelöst durch die Arbeit mit dem traditionellen japanischen Origami, begann ich mit Papier als Material zu experimentieren. Fragen nach der Verwandlung von einem zwei- zu einem dreidimensionalem Objekt und den Bewegungen die dafür nötig sind – sowohl Bewegungen des Materials, als auch meine eigenen Körperbewegungen, um die Veränderungen im Material zu bewirken – trieben mich um. Die Spannung zwischen den beiden Flächen, die das Papier besitzt – Vorder- und Rückseite, Ober- und Unterseite – inspirierten mich.

 

Wieder war es die Bezugsgröße meines Körpers, die zu den Dimensionen  der Objekte führte. Hinzu kam ein Wunsch nach Ruhe, Stille und Langsamkeit. Der Wunsch, die Welt „ausschalten“ zu können, sich zurück zu ziehen und für einen Moment in sich zu ruhen. Einige solcher Augenblicke hatte ich auf Hiddensee während der Klassenexkursionen erfahren können, andere während der Arbeit an dem Projekt am Steintor: bis das Chamäleon sichtbar wird. Danach war dieses Streben immer wieder in meinem künstlerischen Schaffen aufgetaucht.

So entstand die Form des Kokons des hängenden Papierobjektes, das unter anderem einen zentralen Platz bei meinem Abschlussplenum inne hatte. Die Arbeit kann sowohl von außen als auch von innen betrachtet werden. Sie besitzt außerdem circa die Maßen meines Körpers, soass die Möglichkeit gegeben ist, sich darin zu bewegen. (Cocoon) Aufgrund der vielen geometrischen Faltungen, schwankt das Objekt zwischen einem formalen, abstrakten, minimalen und einem trotzdem organischen Charakter. Ähnlich verhält es sich mit einem weiteren Papierobjekt (Fireworks), welches im selben Zeitraum entstand.  Auch wenn es zunächst, aufgrund der Art der Präsentation (auf dem Boden stehend), sehr statisch, abstrakt, fast architektonisch wirkt, wohnt in ihm die Möglichkeit der Bewegung. Indem man die äußeren Enden wiederholt nach innen klappt, verändert das Objekt immer wieder seine Form. Die Bewegung lässt sich endlos wiederholen. Die Bewegung von außen nach innen ist eine immer wiederkehrende Bewegung beim Falten von Papier, die sich in der Beweglichkeit des Papierobjektes gewissermaßen doppelt.

 

Ebenfalls im selben Zeitraum entstanden Video und Audioarbeiten Floating und Caught I + II. Ebenso wie die Papierobjekte spielt der Körper als Bezugsgröße eine wichtige Rolle. Allerdings stellt er, in einem weiteren Versuch der Reduktion, in diesen Arbeiten sein eigenes Material dar. Beiden Arbeiten ist gemeinsam, dass sie die Grenzen des Körpers behandeln. In der Videoarbeit ist es das Gewicht des Körpers, und wiederum der Versuch, Ruhe und Langsamkeit zu finden, einen Zustand des losgelöst Seins - gleich einer Art körperlicher Meditation. Doch indem die Bewegung des Hebens und Senkens der Gliedmaßen extrem verlangsamt wird, stellt sich der eigene Körper in den Weg und verhindert selbst genau das, was er zu erreichen versucht. Anstatt leicht und schwerelos zu werden, wird er schwerer und die Übung erfordert mit verstreichender Zeit immer mehr Kraft.

 

In der Audioarbeit hingegen ist es das Volumen, der Umfang des eigenen Körpers, der den Zuhörenden bewusst gemacht wird. Das einfache, langsame Geräusch des Atems, welches man normalerweise nur von sich selbst kennt, und welches das einzige Geräusch ist, dass den Menschen neben dem Herzschlag ein Leben lang begleitet, ist bei dieser Arbeit lauter, als man es von sich selbst kennt. Außerdem ist es der Atem einer anderen Person, der vielleicht nicht mit dem eigenen Rhythmus überein stimmt. In dem Versuch sich dem Atem anzupassen, lässt sich der Unterschied der Lungenvolumina erahnen. Dadurch, dass der Atem lauter ist, scheint er nah zu sein und wirkt dadurch, dass der umgebende Raum vollkommen dunkel ist, sehr intim, bis hin zum Unwohlsein. Gefühle des gefangen Seins können aufkommen. Der zweite Teil der Audioarbeit hingegen beschäftigt sich mit der Vorstellungskraft der Zuhörenden. Hier sind neben den nun unregelmäßigen Atemgeräuschen auch Geräusche eines sich bewegenden Körpers zu hören. Was tut dieser Körper? Woran stößt er sich? Woher kommen die Geräusche? Der fehlende visuelle Input wird durch die Vorstellungen der Zuhörenden selbst ergänzt. Die Arbeit entsteht somit als Gemeinschaftsprodukt mit den Rezipierenden durch die Rezipierenden.

 

 

notationen II.

 

bewegungen.

 

 

Die Bewegungen der Teilnehmenden formiert sich ähnlich wie das auf und zu Falten der Papierobjekte. Zunächst in einer Runde sitzend (um eine Runde Schale, die die Runde Form des eine Papierobjektes spiegelte) falten sich die Körper während einiger Aufmerksamkeitsübungen auf und verteilten sich im Raum. Die auf dem Boden sitzenden, komprimierten Körper der Teilnehmenden entfalten sich um aufzustehen und durch den Raum laufen zu können. Gleichzeitig löst sich das Rund des Sitzkreises auf – die Körper fangen an sich zu bewegen und nicht mehr eine statische, sondern sich ständig verändernde bewegte Relationen zueinander einzunehmen. Anschließend kommen sie wieder zu einem Rund zusammen, bevor sie schließlich durch eine letzte Übung, an der mit Spiegeln versehenen Wand entlang ein eine gerade aufgefächert werden. Arme und Beine werden  eng an den Oberkörper gewinkelt, die Köpfe weit nach vorn geschoben, um sich selbst besser im Spiegel ansehen zu können, und die Oberkörper zwischen die Oberschenkel gepresst. Die Körper komprimieren sich – um so wenig Fläche wie möglich freizugeben. Die Bewegungen, die in meinen Arbeiten eingeschrieben sind, werden durch die Körper der Plenumsteilnehmer*innen wiederholt und zurück ins Körperliche übertragen, aus dem sie entstanden sind.

 

Schatten und Raum.

Durch die Schatten, die die Körper und Objekte werfen, entstehen Beziehungen zwischen den Arbeiten. Die Schatten meines Körpers in Floating doppeln sich mit den Schatten der realen Körper und der durch Spots von verschiedenen Seiten angestrahlten Arbeiten.

 

Träger und Getragenes.

Eine Qualität des Raumes ist neben der Größe und Offenheit, der schwarze Tanzboden. Durch ihn werden Zusammenhänge zwischen den Arbeiten aufgemacht. Während das Papier bei smart movements als Träger für die Objekte (die Zeichen) dient, die zudem in schwarzer Tinte gezeichnet sind, wird es bei Fireworks, Cocoon und auch Floating selbst zum Objekt und zum Getragenen durch den schwarzen Boden. Des Weiteren stellt der schwarze Boden des Raumes einen Kontrast zu dem weißen Boden in Floating dar. Hinzu kommt, dass die Videoarbeit auf einer Projektionsfläche aus Papier gezeigt wird. Hier ist das Papier wiederum Trägermaterial. Dass die Projektionsfläche hängt und den Boden nicht berührt, verleiht der Videoarbeit eine weitere Dimension: Woran sich mein Körper während der im Video gezeigten Arbeit abmüht – schweben zu können und dem Boden zu entkommen – wird bei der Projektion möglich. Der Körper schwebt dadurch im Raum und müht sich dennoch endlos ab, um diesen Zustand zu erreichen.

 

Innen und Außen.

Durch die Hängung der Projektion von Floating entsteht eine formale Verbindung zu Cocoon. Diese wiederum schafft eine inhaltliche Verbindung zur etwas abseits, in einem kleinen, abgedunkelten Raum gezeigten Audioarbeit Caught I +II. Beide Arbeiten beschäftigen sich mit Volumen von Körpern und dem Innen und Außen. Normalerweise sehen oder ermessen wir das Volumen eines Körpers, indem wir ihn von außen betrachten. Beiden Arbeiten bemessen das Volumen jedoch von innen:  durch die Menge der Luft, die in unsere Lungen gefüllt werden kann und durch die Innenseite des Papiers, welche sonst verborgen bleibt.

Spiegel.

Bei der abschließenden Handlungsanweisung beziehe ich die großen Spiegel, die eine gesamte Wand des Raumes ausfüllen, mit ein. Durch sie haben die Teilnehmenden bereits die Möglichkeit gehabt, die Papierobjekte mit einem Blick von mehreren Seiten zu erfassen – gleichzeitig das Innen und Außen, das Hinten und Vorne zu sehen.  Nun soll der Fokus zurück zu den menschliche Körpern geführt werden. Indem sie sich vor den Spiegel setzen und sich selbst so lange anschauen, bis sie sich nicht mehr vor sich selbst verstellen, sich selbst nichts mehr vormachten, können die Teilnehmer*innen ihre Aufmerksamkeit zu sich selbst zurück bringen und mit dem Gesehenen in Verbindung setzen. Vielleicht erfahren sie etwas ähnliches, wie ich es oft während meiner künstlerischen Arbeit erfahren habe: Immer wieder auf sich selbst zurück geworfen zu sein, immer wieder mit dem eigenen Körper konfrontiert zu werden, seinen Dimensionen und Limitationen.