"sleeping rubber band"
Examen/ Klasse Prof. Stella Geppert/ Studiengang Kunst Lehramt/ Sommersemester 2016 / Präsentation am 23.06.2016, Oleariusstrasse 9, Halle (Saale)
Gedanken und Assoziationen
Der Alltag verlangt oft ökonomische Sichtweisen auf Personen, Sachverhalte und Dinge, sodass man instinktiv ausblendet, was man als nicht bedeutsam erachtet. Aber andererseits können wir uns assoziativem Denken nicht entziehen, dient es denn insbesondere dazu, Neues mit bereits Bekanntem zu verknüpfen und das Neue und seine Funktion im Gedächtnis zu verankern. Das Bewusstmachen von Assoziationen ist Teil kreativer künstlerischer Prozesse. So werden neue Sichtweisen deutlich, können neu schöpferisch verarbeitet werden und wiederum den Alltag bereichern.
Assoziationen bewusst nachzuvollziehen und herzustellen setzt voraus, Gedanken und Gefühle neugierig und forschend zu aktivieren. Alltagsgegenstände werden mit Hilfe von Assoziationen ihrer primären Funktion entzogen und helfen eine neue Beziehung zwischen dem Assoziierenden und seiner Umwelt herzustellen.
Bewusst forschendes Assoziieren verlangt neugierig zu sein. Neugier weckt Gefühle, nährt Gedanken und irritiiert Schaffensprozesse. Das Assoziationspotenzial liegt in dem Ausmaß seiner neuen Möglichkeiten.
Verfremdung alltäglicher Objekte und Baumaterialien
Intention ist es, das vertraute Material in einer neuen Funktion zu zeigen: verfremdet; dem Alltag entzogen. Die Suche nach geeigneten Materialien ist dabei immer Ausgangspunkt meiner Arbeit.
Die Herausforderung liegt darin, eben nicht nur die konventionellen Eigenschaften eines Alltagsobjektes bzw. Materials zu sehen, sondern die darüber hinausreichenden Verwandlungsmöglichkeiten zu erkennen. Die frage danach, wie man ein Material ausreizen und verfremden kann, ist grundlegendes Prinzip.
Menge, Formbarkeit und Farbigkeit des Materials dienen u.a. als ausschlaggebende Kriterien für die Verfremdung. Aber auch das Wirken von Kräften ist ein Aspekt einiger Arbeiten, das zu eigenwilligen Verformungen, Anpassungen oder Spannungen führt.
Die Verwendung von möglichst wenigen Materialien und zusätzlichen Mitteln in einer Installation wird angestrebt. Die Formgebung wird vor allem durch Konsistenz, Struktur und Eigenschaften des Materials bestimmt.
Materialien, mit denen ich u.a. gearbeitet habe, sind: Kaffeefilter, Versandkartons, Salz (in Kombination mit Nagellack und Rotwein), Strohhalme, Isolierpappe, Edelstahlspiralreiniger, Matratzenschaumstoff, dünner Schaumstoff (Transportschutzmaterial), Gummiringe.
Videoprojektion und Gummiringinstallation
Gummiringe sind praktische Helfer im Alltag. Aus künstlerischer Sicht sind sie sehr vielseitig in ihrem Verfremdungspotenzial. In meinen beiden Installationen (Videoinstallation und Rauminstallation) werden zwei Materialeigenschaften genutzt: Das Flimmern und das Spannen.
Videoprojektion
Gummiringe können in einen Zitterzustand gebracht werden. Ihre Bewegung kann man als kreisförmig vibrierend beschreiben. Das Material erzeugt dabei auch einen Klang, der den Raum ausfüllt. Dieser typische Klang wird jedoch nicht in der Videoinstallation abgespielt. Er wird durch das Rauschen einer sich im Wasser auflösenden Badekugel ersetzt.
Das Flimmern der Gummiringe kann beispielsweise mit dem Rauschen eines nicht empfangbaren Fernsehkanals assoziiert werde. Dies wiederrum kann mit dem vergleichbar ähnlich klingenden Rauschen einer sich auflösenden Badekugel in Verbindung gebracht werden. Diese analoge Erscheinung der Badekugel und der Gummiringe verbindet sich in der Installation
Die leicht grünliche Einfärbung der Videosequenz nimmt Bezug auf den Bodenbelag des Installationsortes. Das optische Wahrnehmen der Farbigkeit und des Flimmerns strengen den Betrachter an und wirken krankhaft. Da kann zur Flucht aus dem Raum führen.
Gummiringinstallation
Gummiringe haben Kraft. Sie können Dinge zusammenhalten oder gespannt werden, bis sie reißen. Wenn Gummiringe in gleichmäßigen Abständen gespannt werden, verlieren sie ihre runde, gekräuselte Form aus der Verpackung und werden zu geordneten Linien. Sie werden zu Strichen im Raum. Die Gummiringe werde ihrem alltäglichen Zweck entzogen.
In der Installation werden die Raumverhältnisse aufgegriffen. Die gespannten Gummiringe durchlaufen zwei Räume und durchqueren gedacht die Wand, die die beiden Raume voneinander trennt. Ein Raum ist länger als der andere. Teils man die Längsseite des größeren Raums durch die Längsseite des kleineren Raums, so ergibt sich ein bestimmtes Verhältnis der Raumseiten zueinander. Dieses Verhältnis kehrt in der Gummiringinstallation wieder, jedoch reziprok, also verkehrt, die kürzere Linien befinden sich im längeren Raum, die längeren Linien im kürzeren Raum. Die umgekehrte Wandgestaltung (weiße Tapete zu Gummiringen) in den beiden Räumen wiederholt diese reziproke Aufteilung.
Durch eine Türaussparung ist ein Blick auf beide Räume und die sie durchlaufenden Gummiringe möglich.
Die aufgespannten Gummiringe wirken auf den ersten Blick wie eine optische Irritation. Die Betrachter können durch aktives Handeln die Installation aus verschiedenen Perspektiven erfahren. Der Betrachter erfährt eine Neuintegration seiner Selbst in den Raum. (Auszüge aus der Rede zur künstlerischen Position mit Anmerkungen).
Matratzenskulpturen
Schaumstoffe sind vielfältig einsetzbare Produkte, die in fast jedem Wohn- oder Arbeitsraum auftauchen, ohne dass man diese bewusst wahrnimmt. Dies liegt wohl daran, dass Schaumstoffe in aller Regel so verarbeitet sind, dass sie meist nicht offen zu sehen sind. In fast allen Stühlen, Sitz- und Liegemöbeln sind Schaumstoffe verarbeitet. Aber auch in den Bereichen [...] Verpackung oder Schalldämmung sind Schaumstoffe nahezu allgewärtig [1]
[1] Wegerichs Schaumstoff Online Lexikon: Allgemeine Informationen über Schaumstoffe und Schaumgummi. URL: myschaumstoff.de (12.07.2016).
Während der weiße (mittlerweile leicht gelbliche) Schaumstoff eher an Gips erinnern kann, wirkt der rosa Schaumstoff eher kaugummiartig und möglicherweise auch leiblich.
Die weiche, verformbare und relativ leichte Schaumstoff steht im Kontrast zu schweren, statischen Beton. Das Kräfteverhältnis zwischen beiden Materialien führt zu skurrilen Objekten. Der Schaumstoff scheint gegen den Beton zu arbeiten, in dem er gefangen ist, um sich in deine natürliche waagerechte Lage zurück zu kämpfen. Der Beton hingegen versucht den Schaumstoff davon abzuhalten, was ihm nur bedingt gelingt. Der Schaumstoff hängt schlaff herunter oder ist in sich gespannt.
In der Arbeit steckt ein Schmunzeln, eine Faszination für Materialien und die Eröffnung eines Assoziationsraums. Die Holzverschalung, die an einigen Objekten verblieben ist, greift ansatzweise die Materialität des Installationsraums auf. Das Erleben von Materialeigenschaften (z.B.: Schwere des Beton) ist immer unausweichlicher Teil des teils mühsamen und schmerzhaften Arbeitsprozesses. Betrachter eignen sich teilweise durch aktives Handeln die Installation an.