„Kante, Wasser, Kies“
Diplom / Klasse Prof. Stella Geppert / Studiengang Kunstpädagogik / Wintersemester 2015/16 / Präsentation 02.11.2015, Ausstellung 3. - 5.11.2015, Waisenhausring 1b, Halle (Saale)

Im Rahmen der Diplomarbeit ging ich meinem individuellen Blick auf meine Umwelt nach. Themen, Inhalte und das Medium, welches ich letztlich nutzte, kristallisierten sich im Laufe der Zeit allmählich heraus.

Ich ging beobachtend, sammelnd und ordnend vor.

Dabei werde ich teilweise schon im Moment des Beobachtens imaginativ bildhauerisch tätig. Ich bearbeite und verwandle das Gesehene in meiner Vorstellung, füge Material hinzu, nehme weg, verteile um.

Ich sammelte das Beobachtete, zunächst in Form von schnappschussartigen Fotografien und Fragmenten von Alltags- und Gebrauchsgegenständen, dann nur noch in Form von Wörtern, Notizen und Sätzen.

Das suchende und forschende Ordnen, ein Tasten in Richtung möglicher Ordnungen, diente mir dabei als ein Mittel um zu verstehen.

Während der Diplomzeit verschob sich mein Interesse immer mehr von Objekten auf der Erdoberfläche hin zur Erdoberfläche selbst.

So wie die objekthaften Einzelformen, die ich zu Beginn der Diplomzeit beobachtete und meist fotografisch dokumentierte (wie Hecken, Haufen, Pfosten, Geländer, Abgrenzungen), verstehe ich auch die Erdoberfläche als Form. Sie bildet ein Relief, ein Kontinuum, in dem eine Einzelform in die nächste übergeht: die Hecke in die gepflasterte Fläche, diese in die Bordsteinkante, die wiederum in die Straße usw.

Mein Verständnis des Reliefs schließt das sich auf der festen Erdoberfläche befindende Material mit ein. Pflanzen, Wasser, Laub, Sand etc. überformen den Untergrund und bewirken so eine stetige Formveränderung. Es wird Material abgetragen, aufgetragen und umgeformt. Es werden Wiesen gemäht, Schneisen in Wälder gerodet, Betonflächen gegossen, Gräben ausgehoben, Hecken und Bäume in Form geschnitten.

All diese Vorgänge verstehe ich, im Sinne ihrer formbildenden Kraft, als bildhauerische Prozesse.

Mit dem zunehmenden Interesse für die Formen, Beschaffenheiten und Strukturen der Erdoberfläche vergrößerten sich die Dimensionen der Situationen, die mich beschäftigten. Ich dachte in Ausmaßen von Sportplätzen und Straßenkreuzungen und erkannte, dass die Sprache mir ein rasches und flexibles Arbeiten in solchen Dimensionen ermöglicht.

Was ich vorher in Form von Fotos und Dingen gesammelt hatte, hielt ich nun sprachlich fest. Die so entstandenen Arbeiten nutzen die - beim Hören und Lesen meist automatisch eintretende - Vorstellungskraft der Rezipierenden. Der riesige Pool an Material- und Raumerfahrung, den wir zur Verfügung haben, macht es möglich, dass sich schon beim Hören einzelner Worte in unserer Vorstellung blitzschnell komplexe Räume, Materialien und Formen bilden. Wir kennen die Konsistenzen, haptischen Qualitäten und Eigenschaften von Materialien und wissen, wie sich verschiedene Materialien zueinander verhalten.

An die Grenzen der Möglichkeiten der Sprache komme ich, wenn es darum geht, etwas ganz Spezifisches zu beschreiben. Dafür aber kann die Sprache sehr gut im Allgemeinen sprechen, ich kann „Stein“ sagen ohne mich auf einen konkreten Stein festzulegen.

Die Arbeit „Von Kunstrasen zu rötlichem Asphalt“ arbeitet mit diesen Möglichkeiten und Eigenschaften von Sprache. In 157 Audiodateien werden verschiedene Materialien, Formen und Beschaffenheiten benannt. Immer neue Form- und Materialbegegnungen werden durch die zufällige Wiedergabe der Dateien generiert. Die aneinandergrenzenden Begriffe fordern die Vorstellungskraft heraus, konstruieren und dekonstruieren Raum.

Die Arbeit „ohne Titel, Auszug aus dem Verzeichnis der flächenbezogenen Nutzungsarten im Liegenschaftskataster und deren Begriffsbestimmungen (Nutzungsartenverzeichnis) der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV) von 1991“ zählt die in Deutschland für statistische Erhebungen über die Nutzung der Bodenfläche festgelegten „Flächennutzungsarten“ auf. Auch hier geht es um die Erdoberfläche, allerdings aus einem anderen Blickwinkel. Die Zuschreibungen und Kategorisierungen laufen konsequent über die Nutzung, das geht so weit, dass unbebaute Flächen, die nicht geordnet genutzt werden, z.B. Dünen oder Felsen, in die Kategorie „Unland“ fallen. Das Verzeichnis zielt, wie auch die Statistik über die Flächennutzung, auf vollständige Erfassung und verkürzt dadurch zwangsläufig das Beschriebene.

Der schriftliche Teil der Diplomarbeit, mit dem Titel „Hügel, Pfosten, Waschbeton“, sammelt in enzyklopädischer Form Texte und Fotografien zu einzelnen Aspekten meiner Auseinandersetzungen.

Autor: Magdalena Rude