Annette Fauvel, Bachelorarbeit SoSe 2012 betreut von Prof. Bettina Göttke-Krogmann
Der Mensch befindet sich zu jeder Zeit in einer Situation, und diese Situation verändert sich ununterbrochen. Kann man, beziehungsweise wie kann man sein Umfeld so dynamisch gestalten, dass sich Raumsituationen den Lebenssituationen anpassen, wie Zellmembranen sich den Bedürfnissen der Zelle anpassen können?
Das Wort Zelle kommt vom lateinischen Wort cellula, was unter anderem kleine Kammer bedeutet. Sehr vereinfacht ausgedrückt besteht eine Zelle in der Regel aus drei entscheidenden Teilen: Einem Zellkern, der denkt und handelt; dem Zytoplasma, das den Lebensraum des Zellkerns darstellt; und der Zellmembran bzw. Zellwand, die die Zelle schützt, das innere Gleichgewicht aufrecht erhält und den Austausch zwischen Zellen ermöglicht. Die Membran passt sich in ihrer Permeabilität den Bedürfnissen ihres Interieurs an und lässt immer genau das hinein und hinaus, was der Zellkern braucht.
Übertragen auf den Menschen und sein Lebensumfeld findet man ähnliche Situationen: Wir wollen uns in Räumen wohlfühlen, während wir uns in ihnen aufhalten. In der heutigen Zeit ändern sich die Bedürfnisse, die der Mensch an einen Raum stellt, oft und Wände sind nicht dynamisch genug, um den Menschen dazwischen das zu geben,was sie brauchen: Rückzugsort, Geborgenheit, Schatten, Entschleunigung, Privatsphäre oder Gesellschaft, Licht, Öffentlichkeit. Nimmt man sich die Zellwand als Maßstab, sollten raumdefinierende Systeme wie Zellmembranen flexibel sein und sich den äußeren Bedürfnissen anpassen. Sie sollten von undurchlässig bis vollkommen durchlässig alle Permeabilitätsstufen anbieten. Auch formal bieten sich Zellen als Musterbeispiel an: Durch ihre ineinander verschränkte, wabenähnliche Anordnung verfügen sie über maximale Stabilität, indem sie sich gegenseitig stützen. Als ein wichtiges Prinzip der Leichtbauweise findet man diese Anlehnung an die Natur bereits vielfältig angewendet in der Raumfahrt, Architektur und Automobilindustrie. Dabei ist diese Adaption für Textiles geradezu ideal, um mit der Flexibilität des Stoffes Stabiles zu schaffen.
Die Arbeit „Situationen“ besteht aus der Entwicklung von drei „Vertikalen Textilsystemen“, für die anschließend Materialkombinationen und Herstellungsmethoden gesucht wurden und die in einem ersten „Vor-Prototypen“ realisiert wurden.
Der Begriff „Vertikales Textilsystem“ soll die Freiheit akzentuieren, die entstandenen Entwürfe je nach persönlichem Bedarf anzuwenden: Als Raumteiler, Vorhangsystem oder Sichtschutz, im privaten oder öffentlichen Raum.