Unter-die-Haut:
Unter-die-Haut ist ein Assoziationsbegriff, der verschiedene Ebenen des Erlebens aufgreift aber auch ganz wörtlich verstanden werden kann.
Sprichwörtlich geht uns das unter die Haut, was berührt, nah und emotional in uns hinein kriecht; unaufgehalten ein Eindringen von Welt in uns spürbar macht.
Unter-die-Haut ist ein innen und außen von Welt. Es ist ein in-der-Welt-sein und ein Empfinden der Welt in uns. Diese Chimäre des Berührens und berührt Werdens wird deutlich, wenn unsere Finger die Dinge der Welt anfassen und wir ebenfalls als Dinghaftes von der Welt berührt werden. Das Berührt-werden liegt dem eigenen berühren wie ein Schatten an. Es gibt ein Innen und Aussen von Welt-Erfahrungen. Ein Eigen-Erleben in dem Sack in dem wir eingeschlossen sind und aus dem wir herausschauen. Diesen Sack in dem wir uns erleben meine ich gleichsam wie das Material aus dem wir gefertigt sind. Das Material der Haut, als Schranke, die uns abgrenzt und ein Inneres verbirgt.
Ich meine die Schicht, die uns bekleidet, die Haut, die unser Leib ist und verdeckt.
Ich meine den Inhalt, die Organe, das Verborgene.
Ich meine das Fleisch.
Ich meine die Oberflächen, die sich zeigen, wenn wir die nächste Schicht eröffnen.
Ich meine das Sichtbare und das Unsichtbare.
Ich meine all die angenehmen und unangenehmen Leiberfahrungen.
Ich meine das Vergangene wie das Lebendige.
Ich meine das Schöne im Hässlichen und das Hässliche im Schönen und meine auch gar keine dieser Wertungen.
Ich meine den Leib.
In meiner künstlerischen Arbeit spüre ich den Leib auf.
Ich suche ihn in seiner Verletzlichkeit, seiner humoristischen Diversität oder auch Absurdität.
Ich suche den Corpus und den Leib in seiner Materialität.
Ich suche ihn in seinen Einschränkungen und seiner Ungezügeltheit.
Ich suche ihn in seinen Zuschreibungen und Zurichtungen.
Ich suche ihn in seiner Gänze und als Teilstück.
Ich suche ihn in Form und Idee.
Ich suche ihn im Schweiß und im Ekel.
Ich suche ihn in der Annahme und in der Abwehr.
So habe ich Assoziationen frei werden lassen, die mit dem Innen und Außen des Corpus zusammentreffen. Ich habe transparente Oberflächen über plastische Organassoziationen gezogen und so verborgen.
Es gibt Kästen, manchmal mit einer zu erahnenden Inhaltlichkeit, manchmal mit nur Oberflächen oder Oberflächen über Oberflächen.
Es gibt eingepferchte Organe, rutschendes Material, Därme, Krusten, Flecken im Farb-Spektrum der Leder-Haut, Anhängsel oder Wucherungen.
Ich habe Organe erfunden oder mich an Reale angelehnt.
Ich habe versucht den Saft, das Blut, den Eiter, den Auswurf, das Erleben der Leiblichkeit einzufangen.
Ich habe Flecken mit Stoff aufgesaugt, Material wie Papier, Wachs, Salz und Latex aufgetragen und in dem „unbearbeitetem“ Stadium belassen.
So ergibt sich ein Arbeitsprozess der nicht linear, perlschnurartig, von einer Arbeit zu nächsten wandert, sondern einer fluiden Vorstellungsverknüpfung unterliegt.
Mal komme ich mit einem Plan ins Atelier, der an der Tür in der visuellen Konfrontation sofort vergessen wird, mal lege ich mir eine Stringenz auf, die ich arbeitsam abarbeite, weil ich das Ergebnis sehen will, mal lasse ich mich von Impulsen leiten, die mir das Material offeriert. So springe ich im Fertigungsprozess von Idee zu Assoziation und umgekehrt.
Im Diplom habe ich von einer Figürlichkeit zu einer Leiblichkeit gefunden genauso wie ich von und mit dem Bild in den Raum gefunden habe.