(abgeschlossen im SS20)

Das Wandern ist des Müllers Lust. Frau Müllerin hingegen telefoniert lieber, wechselt
Windeln oder macht die Wäsche. Ob sie das wirklich lieber macht oder nicht, ist egal, denn
Lust empfindet sie ohnehin nicht.


Überholte, diskriminierende Rollenbilder sind nicht mehr zeitgemäß. Allerdings sind wir
nicht frei von ihnen, selbst wenn wir sie ablehnen. Durch unsere Sozialisierung sind
ausgrenzende Werturteile tief in gesellschaftlichen Denkmustern verankert.

ln unserem Seminar, das sich zwischen Designtheorie und -methodologie verortet, soll es darum gehen,
ungewolltes Reproduzieren überholter Gesellschaftsbilder in der professionellen
Gestaltungspraxis zu vermeiden. Gängige Konventionen sollen kritisch hinterfragt werden,
um sie bewusst bestätigen oder ihnen willentlich entgegenwirken zu können.


Unser Aufhänger ist dabei das Wandern im weitesten Sinne als poetisches Sinnbild für
Mobilität und Reichweite. Ob flanierend zur Erholung, zum täglichen Pendeln, zum Reisen
an entlegene Ziele oder zur definitiven Migration: Mobil zu sein ist ein entscheidender
Faktor für das Erleben von Freiheit. Der Entzug von Mobilität ist als Freiheitsstrafe eine
gängige Sanktion für die Missachtung vereinbarter Normen.


Das scheinbar geschlechtsneutrale Thema birgt aus genderkritischer Perspektive jede
Menge Fallstricke. So lässt sich beispielsweise in der Verkehrspolitik ein deutlicher
Gendergap ausmachen, der den motorisierten, zumeist männlichen, stets privilegierten
Individualverkehr priorisiert und diejenigen, denen die Haus-, Familien- und
Versorgungsarbeit obliegt, mit ihrem zumeist innerstädtischen Nahverkehr benachteiligt.


Derartige Fallstricke wollen wir bewusst aufspüren. Dabei bedienen wir uns sowohl aus dem
Methodenrepertoire der Designforschung, der Gender Studies als auch des partizipativen
Designs. Ziel ist es, einen eigenen Standpunkt zu beziehen und diesen auf die eigene
Gestaltungspraktik zu übertragen.